«Das prägt einen fürs Leben»

Als neue Präsidentin des Gönnervereins der Schweizer Tafel ist Nadja Keller-Niederberger zurzeit stark gefordert. Im Interview erzählt die Luzernerin, weshalb es gerade in Zeiten von Corona soziales Engagement braucht.

Nadja Keller-Niederberger beschäftigte das Thema «Armut und Essen» bereits als Kind. Bild: Pawel Streit

Nadja Keller-Niederberger, im August sind Sie zur neuen Präsidentin des Gönnervereins gewählt worden. Wie blicken Sie auf die ersten Monate im Amt zurück?
Die letzten Monate waren sehr stark vom Thema Corona geprägt. Als Gönnerverein engagieren wir uns aktiv für die Spendensammlung der Schweizer Tafel. Die Pandemie hat uns gezwungen, unsere Arbeit umzustellen und neue Wege zu suchen, um Gelder zu beschaffen. Anstelle von Veranstaltungen versuchen wir nun beispielsweise über Briefe und Social Media die Leute zu erreichen. Auch unseren traditionellen Suppentag, der am Donnerstag wieder stattfindet, müssen wir dieses Jahr anders durchführen.

Inwiefern?
Normalerweise gibt es in allen aktiven Regionen Suppenstände und andere Aktionen. In Luzern zum Beispiel ist es Tradition, dass vor dem Hotel Schweizerhof ein grosser Suppenstand steht, sodass alle zum Suppenessen vorbeikommen können. Dieses Jahr muss alles anders organisiert werden. Um die Schutzkonzepte einhalten zu können, wird die Suppe ausschliesslich als Tagessuppe in den Restaurants des Hotels serviert. Dies soll aber kein Grund sein, nicht zu spenden oder keine Suppe zu essen.
 
Für welche Ziele setzt die Schweizer Tafel die gespendeten Gelder ein?
Die Schweizer Tafel setzt sich gegen Armut und Foodwaste in der Schweiz ein. Sie verteilt schweizweit täglich rund 16 Tonnen überschüssiges Essen an soziale Institutionen und Abgabestellen. Jährlich landen etwa zwei Millionen Tonnen Lebensmittel im Abfall. Mit jedem Spendenfranken erbringen wir Leistungen im Wert von 18 Franken.

Gibt es in der Schweiz Menschen, die zu wenig Geld für Essen haben?
In der Schweiz sind 7,9 Prozent der Bevölkerung von Armut betroffen. Der Lockdown im Frühling dieses Jahreshat
gezeigt, dass es leider vermehrt Menschen gibt, die für  ihr Essen anstehen müssen, weil sie es sich schlichtweg nicht mehr leisten können. Wir haben gehofft, dass Armut in der Schweiz bald Geschichte ist – leider ist das Thema zurzeit aktueller denn je.
 
Ist die Schweizer Tafel auch in Luzern aktiv?
Die Schweizer Tafel, wie auch der Gönnerverein sind in verschiedensten Regionen der Schweiz präsent. In Luzern gibt es im Wesemlin einen Logistikstandort. Dort werden die überschüssigen Lebensmittel zentral gesammelt und von freiwilligen Helfern an Institutionen wie die Gassenküche, Heilsarmee oder Altersheime verteilt.

Arbeiten Sie als Präsidentin ebenfalls ehrenamtlich?
Ja, alle Mitglieder des Gönnervereins sind unentgeltlich tätig. Zudem zahlen wir einen Mitgliederbeitrag, um die Schweizer Tafel auch finanziell zu unterstützen. In vielen Regionen ist der Gönnerverein aus einem privaten freiwilligen Engagement heraus entstanden. Freunde haben sich zusammengeschlossen, um etwas gegen die Armut zu unternehmen. 
 
Aus welchen Beweggründen engagieren Sie sich für den Verein?
Für mich ist es eine Herzensangelegenheit. Schon als Kind hat mich das Thema «Armut und Essen» beschäftigt. Meine Mutter hat an Weihnachten immer Menschen zu uns zum Abendessen eingeladen. Eine Person in meinem Freundeskreis musste Hunger in der Kindheit erfahren. Das prägt einen Menschen fürs Leben. Es darf einfach nicht sein, dass in der Schweiz, wo wir über die nötigen Mittel verfügen, Menschen zu wenig Geld für Nahrungsmittel haben und auf der anderen Seite Tonnen von Lebensmitteln im Abfall landen. Ich finde, da müssen wir dringend etwas dagegen unternehmen.

Bleibt neben Ihrem Engagement noch Zeit für anderes? 
Ich arbeite hauptberuflich als Projektleiterin für eine Luzerner Gastro-Agentur. Auch da sind wir wegen der Pandemie zurzeit sehr stark gefordert. Für meinen Seelenausgleich unterrichte und praktiziere ich Yoga. Dies und meine wundervolle Familie bringen mich im Alltag wieder ins Gleichgewicht.

Anna Meyer

 

Box: Suppentag der Schweizer Tafel

 

Der nationale Suppentag der Schweizer Tafel findet wegen Covid-19 in diesem Jahr an zahlreichen Standorten nicht statt. Einzig in Luzern und Olten wird er durchgeführt. Der diesjährige Suppentag in Luzern findet am Donnerstag, 19. November, von 11.30 bis 14 Uhr im Hotel Schweizerhof statt. Aufgrund der Covid-19-Pandemie ist die Suppe ausschliesslich als Tagessuppe in den Restaurants Pavillon und Galerie des Hotels erhältlich. Der gesamte Erlös wird
an die Schweizer Tafel gespendet. Mehr Informationen: schweizersuppentag.ch

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