Das beste Theater der Welt

Gabriela Christen löst per 1. Juli Birgit Aufterbeck Sieber als Stiftungsratspräsidentin des LT ab. Im Interview spricht sie über ihre Verbundenheit mit dem Theater und ihre persönlichen Ziele.

Birgit Aufterbeck Sieber (links) übergibt das Präsidium an Gabriela Christen. Bild: Ingo Hoehn

Gabriela Christen, Sie waren 12 Jahre Direktorin der Hochschule Luzern, Design und Kunst, was verbindet Sie mit der Theaterszene?
Ich habe eine vielfältige Beziehung zum Theater. Bereits an der Kanti Alpenquai habe ich Theater gespielt und war auch im Theaterklub. Während meiner ganzen Laufbahn habe ich im In- und Ausland Theater sehr intensiv miterlebt. Es bestand auch bereits eine sehr intensive Beziehung zwischen der Hochschule und dem Theater während meiner Funktion als Direktorin.

Sie sprechen die Verdi-Oper «Rigoletto» 2016 an, die unter Benedikt von Peter in der Viscosistadt gespielt wurde?
Ja, aber auch bei anderen Produktionen, für die wir Kostüme produziert haben, beispielsweise für die Aufführung in der Jesuitenkirche («Marienvesper», 2017, die Red.), bei der wir bei der räumlichen Inszenierung mitgearbeitet haben.

Sie waren als Direktorin des Departements Design und Kunst in den Neubau des Gebäudes in der Viscosistadt stark involviert. Inwiefern hilft dies für den Bau des neuen Theaters?
Ich konnte dort viele Erfahrungen sammeln und weiss heute, was es bedeutet, einen von der Infrastruktur her sehr aufwendigen Bau zu realisieren. Die Komplexität der Räumlichkeiten des Design- und Kunstdepartements mit Filmstudios und Werkstätten ist vergleichbar mit den Bedürfnissen eines Theaters. Da habe ich Erfahrung bezüglich der Anpassung an Realitäten und darin, wie man sich zwischen den verschiedenen Anspruchsgruppen findet. Alle haben am Ende das Ziel, dass wir in Luzern das beste Theater der Welt haben.

Das ist ein hochgestecktes Ziel ...
Das soll nicht heissen, dass wir das teuerste und das aufwendigste Theater der Welt haben sollen, aber das beste Theater für die Stadt Luzern und die Region.

Wann ist dieses Ziel erreicht?
Wenn man die Vision umgesetzt hat, ein Theater für alle zu bauen, das die Bevölkerung auch besuchen will. Wenn wir ein Ort geschaffen haben, an dem man zeigen kann, welche Bedeutung das Theater heute für die Gesellschaft hat. Wenn wir ein tolles Mehrspartenhaus haben, das es schafft, ein aktuelles Theater zu sein. 

Was meinen Sie mit einem aktuellen Theater?
Themen aufzugreifen, wie es das Luzerner Theater mit Ina Karr und ihrem Team aktuell bereits mit Diskussionen in Bezug auf den Krieg in der Ukraine macht, Diskussionen und Benefizveranstaltungen, die in diesem Zusammenhang stattfinden. Da hat ein Theater sehr viele Möglichkeiten, auch mit dem Spielplan entsprechend darauf reagieren zu können. Wenn es gelingt, dass in einem Supergebäude generationenübergreifend die Gastgeberkultur für die ganze Zentralschweiz gelebt wird, mit internationaler hochstehender Qualität und einer Ausstrahlung über Luzern hinaus, ist das Ziel erreicht.

Die Zahlen der Besucher:innen steigen aber nicht alleine mit einem neuen Haus ...
Nein, das hat viel damit zu tun, inwiefern man aufzeigen kann, was die Funktion des Theaters ist. Gerade in einer Welt, die digitaler wird, eine Welt, die immer mehr in die medialen Tools verschwindet, hat ein Theater die wichtige Funktion, dass man in einem realen Raum mit realen Menschen zusammenkommt. Dass man aktuelle, aber auch historische Werke sieht, die von grossen Themen der Welt handeln. Dass das Theater nicht nur der Ort ist, in dem man dies sieht, sondern danach im Foyer als Gesellschaft diskutiert. 

Für Sie findet Theater also vor Ort statt, nicht hybrid, also auch digital?
Theater findet zentral vor Ort statt. Aber man muss beides anbieten. Die neuen filmischen interaktiven Medien werden 
ja auch bereits sehr stark ins Theater eingebunden und sind sicher auch ein wichtiger Teil, um die jungen Personen abzuholen.

Welche Ziele haben Sie sich für Ihre Amtszeit gesetzt?
Das Zentralste ist, die Diskussion zu begleiten und zu zeigen, was die Funktion eines Theaters ist und weshalb es ein Theater braucht. Diese Diskussion habe ich auch bei der Hochschule miterlebt. Ein neues Gebäude ist wie ein Kristallisationspunkt, an dem Fragen wie «Weshalb muss das Theater mitten in der Stadt stehen?» und «Weshalb hat es diesen Preis?» gestellt werden. Da muss man vermitteln – in der Politik und in der Gesellschaft. Wenn es gelingt, das gut zu vermitteln, ist mein Ziel erreicht. 

Und weshalb muss ein Theater so viel kosten?
Ein Theater ist ein zentraler Ort der Öffentlichkeit. Es ist ein Ort, wo man ganz viel lernen kann, ganz konzentriert über grosse Werke und darüber, was die Menschen bewegt. Das anzuschauen und gleichzeitig darüber zu diskutieren, was dies für den Ort, wo man ist, bedeutet, ist nach wie vor die grosse Bedeutung des Theaters. Aber es ist auch ein absoluter Standortfaktor für eine Stadt wie Luzern. Luzern ist eine Kulturstadt, Luzern braucht ein Theater. Das gehört einfach zur Lebensqualität von einer Stadt und einer Region dieser Grösse.

Marcel Habegger

 

Box: Zur Person
Prof. Dr. Gabriela Christen (1961) wuchs in Luzern auf. Nach dem Studium der Kunstgeschichte, der Romanistik und der Philosophie in Basel, Paris, Wien, Zürich und Bern war sie als Projektbeauftragte und Ausstellungsmacherin am Schweizerischen Nationalmuseum in Zürich tätig. Von 1994 bis 1996 war sie Direktorin der Museen des Kantons Nidwalden. Anschliessend arbeitete Gabriela Christen als Kulturredaktorin für das Schweizer Radio SRF, dozierte an der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) am Departement Kunst und Medien und forschte am Institute for the Performing Arts and Film. Von März 2010 bis Februar 2022 war sie die Direktorin der Hochschule Luzern – Design & Kunst. Aktuell arbeitet sie an der HSLU als Forscherin und Dozentin und baut eine Plattform zur Sakrallandschaft der Zentralschweiz auf. Daneben ist sie in Stiftungsräten tätig und begleitet das Kloster Baldegg in einem Strategieprozess auf dem Weg in die Zukunft. Ab 1. Juli übernimmt Gabriela Christen das Präsidium des Stiftungsrats Luzerner Theater. Quelle: Luzerner Theater

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