Daheim anstatt ins Heim

Viele ältere Menschen wollen heute möglichst lange zu Hause wohnen bleiben. Altersgerechter Wohnungsbau wird deshalb immer wichtiger. Sandra Remund, Architektin bei Pro Senectute Kanton Luzern, erzählt, was es dabei zu beachten gibt.

Oftmals werden Hürden erst im Nachgang beseitigt ...

Oftmals werden Hürden erst im Nachgang beseitigt ...

... hier wurde erst zu einem späteren Zeitpunkt eine Rampe angebaut. Bilder: PD

... hier wurde erst zu einem späteren Zeitpunkt eine Rampe angebaut. Bilder: PD

Sandra Remund, Architektin bei Pro Senectute. Bild: PD

Sandra Remund, Architektin bei Pro Senectute. Bild: PD

Sandra Remund, der Trend neigt immer mehr dazu, dass wir im Alter möglichst lange zu Hause leben wollen. Denkt die Mehrheit der Leute bei einem Hausbau daran, dass dieses später mal «alterstauglich» sein sollte?

Ich habe den Eindruck, dass das eher selten der Fall ist. Zum Zeitpunkt, wenn man ein Haus baut oder in ein Eigenheim zieht, steht meist die Familiengründung im Fokus. Da denkt man in der Regel noch nicht ans altersgerechte Wohnen.

 

Ein Versäumnis?

Es macht auf jeden Fall Sinn, die Vorgaben für altersgerechten Wohnungsbau bei einem Eigenheim von Anfang an zu berücksichtigen. Es gibt einige Barrieren, die später die Nutzung eines Rollators oder eines Rollstuhls verhindern und die baulich nicht einfach behoben werden können. Dazu gehören zum Beispiel zu schmale Türen, fehlende Manövrierflächen in den Räumen oder Treppen und Schwellen, die nicht durch einen Lift oder ebene Zugänge ersetzt werden können.

 

Dann sollte das Eigenheim idealerweise schon von Beginn an fürs Alter gerüstet sein?

Wichtig ist, dass man von Anfang an die räumlichen Voraussetzungen so wählt, dass bauliche Anpassungen wie ein Lift, Handläufe bei der Treppe oder eine Dusche mit ebenem Einstieg später möglich sind. Gerade die Barrierefreiheit ist eines der wichtigsten Kriterien, damit man auch im fortgeschrittenen Alter daheim wohnen bleiben kann. Wobei der Begriff «daheim» sinnbildlich zu verstehen ist.

 

Wie meinen Sie das?

Ein Daheim geht über die eigenen vier Wände hinaus. Es bedeutet, dass man autonom und würdevoll leben kann, sozial integriert bleibt und bei Bedarf Sicherheit und Unterstützung erhält. Die persönliche Auseinandersetzung mit dem eigenen Daheim kann dazu führen, dass man im Alter vielleicht nicht zwingend im Haus wohnen bleibt, in dem man die letzten 20 Jahre gelebt hat. Ein Einfamilienhaus am Hang mit erschwertem Zugang tauscht man, wenn die Kinder ausgeflogen sind, vielleicht besser gegen eine kleinere, zentrale Wohnung im Dorf ein. Eine Wohn­situation, welche die Bedürfnisse vom Daheim unter Umständen besser abdeckt. Entscheidend ist, dass man sich frühzeitig damit auseinandersetzt, welches Daheim man sich im Alter wünscht, und vorausschauend planen kann.

 

Wie sieht die Situation bei Mietwohnungen aus? Bauen Immobilienbesitzer:innen mehrheitlich altersgerechte Objekte?

Beim Mietwohnungsbau gilt das Behindertengleichstellungsgesetz. Dieses besagt, dass in einem Wohnhaus mit mehr als acht Wohnungen die hindernisfreien Standards zwingend umgesetzt werden müssen. Im Kanton Luzern gilt diese Vorschrift sogar bereits ab sechs Wohnungen. Bei deklarierten Alterswohnungen müssen zusätzlich noch spezielle Vorgaben aus dem altersgerechten Wohnungsbau eingehalten werden. Diese werden aber nicht immer konsequent umgesetzt.

 

Wieso nicht?

Zum einen gibt es beim Bauen wahnsinnig viele Vorgaben, die nicht immer einfach einzuhalten sind und die sich teilweise auch widersprechen. Denkmalschutz und Hindernisfreiheit unter einen Hut zu bringen, ist ein klassisches Beispiel dafür. Zum anderen leiden teilweise auch der Gestaltungsspielraum und die Ästhetik unter den Vorgaben, was nicht alle gerne in Kauf nehmen. Und schlussendlich, glaube ich, fehlt vielen immer noch das Bewusstsein dafür, dass altersgerechter Wohnungsbau uns allen zugutekommt. Schliesslich sind wir alle davon betroffen und irgendwann froh darum, wenn wir nicht aus unserem vertrauten Umfeld herausgerissen werden, weil ein paar Stufen unüberwindbar werden.

Wie kann das Bewusstsein dafür verbessert werden?

Es braucht sicher immer wieder eine Sensibilisierung von Architekt:innen, Verwaltungen sowie Immobilienbesitzenden. Schön wäre zum Beispiel, wenn Verwaltungen proaktiv auf ältere Mieter zugehen würden, um abzuklären, ob sie Anpassungsbedarf in ihren Wohnungen haben. Denn viele ältere Menschen trauen sich aus Angst vor Kündigungen nicht, Forderungen zu stellen. Anstatt einen Handlauf für die Treppe zu beantragen, gehen sie einfach nicht mehr aus dem Haus. Auch da bräuchte es natürlich Sensibilisierungsarbeit.

 

Gibt es noch weitere Möglichkeiten, den alters­gerechten Wohnungsbau zu fördern?

Ja, auch bei der Raumplanung bestünde die Möglichkeit, Anreize oder Vorschriften zu schaffen. Bau- und Zonenreglemente könnten zum Beispiel so angepasst werden, dass gewisse Zonen aus einem Anteil von kleinen und preisgünstigen Wohnungen bestehen müssten.

 

Ist bezahlbarer Wohnraum ein grosses Problem?

Ja, das ist für die ältere Bevölkerung eines der Hauptmankos. Die Stadt Luzern ist sich des Handlungsbedarfs bewusst. Die Förderung des gemeinnützigen Wohnungsbaus ist eine weitere Möglichkeit, um langfristig mehr preiswerte Wohnungen auf den Markt zu bringen. Zudem legen gemeinnützige Wohnbauträger oftmals viel Wert auf die Entstehung einer lebendigen und tragfähigen Nachbarschaft mit einem durchdachten und generationendurchmischten Wohnungsmix. Das ist ein wichtiger Beitrag gegen das Gefühl der Einsamkeit, unter dem zahlreiche ältere Menschen leiden.

Anna Meyer

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