Betteln soll weiter ohne Bewilligung möglich sein
Im Rahmen einer Vernehmlassung schlägt der Kanton Luzern eine Bewilligungspflicht für das Betteln vor. Damit ist der Stadtrat nicht einverstanden.
Eine Rumänin wurde 2014 in Genf zu einer Geldstrafe von 500 Franken verurteilt. Sie hatte im öffentlichen Raum mehrfach gebettelt. Sie zog dieses Urteil bis zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg weiter. Dieser entschied 2021, dass ein vollständiges Bettelverbot gegen das Grundrecht auf Achtung des Privat- und Familienlebens verstösst. Dieses Urteil hat auch Auswirkungen auf die Schweiz beziehungsweise die Kantone. Denn die Kantone entscheiden über die Voraussetzungen für das Betteln.
Am 9. Juni erklärte der Kanton Luzern den Gemeinden in einer Vernehmlassung, wie er das Bettelverbot anpassen könnte. Sein Vorschlag: Wer bettelt, muss dafür bei den Gemeinden eine Bewilligung beantragen. Die Gemeinden sollen dabei verantwortlich für die Ausstellung wie auch die Kontrolle der Bewilligung sein. Aus folgenden Gründen können Gemeinden die Bewilligung verweigern: Eine Person bettelt in organisierter Form für ihren Lebensunterhalt. Eine Person schickt dafür jemand anderes zum Betteln.
Der Stadtrat von Luzern findet die Einführung einer Bewilligungspflicht fürs Betteln nicht zielführend. In einer Mitteilung präzisiert er seine Bedenken: «Jede Gemeinde müsste einen eigenen Bewilligungsprozess erarbeiten. Auch müssten die Gemeinden selber sicherstellen, dass Verstösse gegen eine Bettelbewilligung richtig geahndet würden. Der Aufwand dazu wäre unverhältnismässig, und der Prozess wäre kompliziert», schreibt der Stadtrat. Ausserdem könnte nach ihm auch diese Lösung die Menschenrechte verletzen: Viele bettelnde Personen leben am Rand der Gesellschaft und sind teilweise Suchtbetroffene. Für sie ist es eine grosse Hürde, eine Bettelbewilligung zu beantragen. Das wirft die Frage auf, ob mit der Bewilligungspflicht faktisch nicht ein neues Bettelverbot geschaffen würde. Der Stadtrat ist aus diesen Gründen mit dem Vorschlag des Kantons nicht einverstanden. Er wünscht sich eine kantonsweite einheitliche Regelung des Bettelns wie zum Beispiel in Basel-Stadt.
PD