Beratungsstelle für Pädophilie

Die SP fordert den Regierungsrat auf, den Aufbau einer Präventionsstelle im Kanton Luzern für Personen mit pädophilen Neigungen zu prüfen. Diese soll Betroffene im Umgang mit Pädophilie unterstützen.

Bei rund zwei Dritteln der Personen mit einer pädophilen Neigung kommt es nicht zu einer Straftat – dabei soll es bleiben. Bild: Susanne Dittrich

Pädophile Neigungen sind nicht selten. Man schätzt, dass etwa ein Prozent der Männer in der Schweiz sich zu Kindern hingezogen fühlt. Das sind Hochrechnungen aufgrund von Studien. Mit anderen Worten: Die Störung tritt etwa gleich häufig auf wie Schizophrenie. «Wenn wir diese Zahl zugrunde legen, können wir davon ausgehen, dass es im Kanton Luzern mehrere hundert Betroffene gibt», so Björn Kampmann, leitender Arzt Forensischer Dienst Luzerner Psychiatrie. Rund ein Drittel der betroffenen Personen wird auch straffällig – sei es, indem sie Kinderpornografie konsumieren oder ein Kind sexuell misshandeln. Die anderen zwei Drittel leben ihre sexuelle Ausrichtung nicht aus. Um dies beizubehalten, will der Bund Präventionsangebote für Pädophile subventionieren. So sollen Menschen, die sich von Kindern angezogen fühlen, gar nicht erst straffällig werden und lernen, mit der sexuellen Neigung umzugehen. 

Als erster Kanton der Schweiz lancierte Zürich im Sommer 2021 ein umfassendes und kostenloses Beratungsangebot. Mit Erfolg: Seit der Gründung meldete sich bei der Zürcher Fachstelle (Präventionsstelle Pädosexualität) wöchentlich durchschnittlich eine männliche Person für eine Beratung, insgesamt 35 bis Ende 2021. Die Zahlen liegen über den Erwartungen und zeigen die Notwendigkeit eines solchen Angebots.

Nun hat die SP-Kantonsrätin Melanie Setz-Isenegger ein Postulat eingereicht, in dem der Regierungsrat beauftragt wird, den Aufbau einer eigenen Präventionsstelle Pädosexualität im Kanton Luzern zu prüfen. «Wenn dank einem stärkeren Bewusstsein und durch Prävention auch nur eine Misshandlung weniger geschieht, ist das meiner Meinung nach schon ein Gewinn», so Setz-Isenegger. Vor allem in der Deutschschweiz und im Tessin fehle es an spezialisierten Beratungs- und Therapiemöglichkeiten für Menschen mit sexuellen Interessen: «Das Vorenthalten von Unterstützungsangeboten für Personen mit sexuellem Interesse an Kindern ist ein indirekter Risikofaktor zum Begehen von sexuellen Handlungen mit Kindern.»

 

Anbindung an Luzerner Psychiatrie

Als mögliche Beratungsstelle ist eine grössere Institution wie etwa die Luzerner Psychiatrie geeignet, da diese Arbeit sehr anspruchsvoll ist und viel Verantwortung mit sich bringt. Die Luzerner Psychiatrie schätzt den Nutzen einer Präventionsstelle für Menschen mit einer pädophilen Neigung hoch ein: «Aus Erfahrung bei anderen Institutionen ist für eine erfolgreiche Umsetzung entscheidend, dass es sich um ein kostenloses und durch die Schweigepflicht geschütztes und dadurch niederschwelliges Behandlungsangebot für die betroffenen Menschen handelt», so Kampmann. Der Aufbau einer Präventionsstelle wäre für die Luzerner Psychiatrie bei entsprechendem kantonalem Auftrag gut umsetzbar. Seit 2021 besteht eine enge Kooperation zwischen der Luzerner Psychiatrie und der Klinik für forensische Psychiatrie der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich. Die Zusammenarbeit könne auch für den Aufbau einer solchen Präventionsstelle dienlich sein, erklärt Kampmann. Ausserdem wurden die Mitarbeitenden des Forensischen Dienstes der Luzerner Psychiatrie bereits in Deutschland in der Behandlung von Menschen mit pädosexueller Neigung geschult.

 

Projekt «Kein Täter werden»

Weiter verlangt das Postulat der SP vom Kanton, einen Anschluss an das Koordinationsnetzwerk «Kein Täter werden» zu prüfen. Das Projekt ist seit mehreren Jahren in Deutschland etabliert. 2016 verlangten Natalie Rickli (SVP) und Daniel Jositsch (SP) vom Bundesrat, abzuklären, ob sich mittels Prävention pädophile Ãœbergriffe verhindern lassen könnten. In der Folge kam der Bundesrat zum Schluss, dass er den kantonalen Gesundheitsbehörden empfahl, Beratungs- und Behandlungsangebote für Menschen mit pädophiler Neigung aufzubauen. 

Betroffenen und ihrem Umfeld ist zu empfehlen, sich die erste Hilfe unter kein-taeter-werden.ch zu holen.

Elma Softic

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