Bei Ergänzungsleistungen verjähren die Geschenke nicht

Reicht die Rente nicht für die Bezahlung der Altersheimrechnung, erhält man Ergänzungsleistungen. Allerdings nur, wenn das Vermögen unter eine bestimmte Grenze sinkt. Grosszügige Geldgeschenke werden dabei aufgerechnet – selbst wenn sie Jahre her sind.

Weitsichtig planen und die Angelegenheiten frühzeitig regeln. Das wollten die Eltern von Anna Meier*, als sie 65 Jahre alt waren. Sie liessen sich von einem Notar beraten und verschenkten den grösseren Teil ihres Vermögens, das sie sich mit ihrem KMU hart erarbeitet hatten, ihren vier erwachsenen Kindern. Für sich selbst behielten sie 200 000 Franken.

25 Jahre sind seither vergangen. Nun sind die Eltern von Anna Meier hochbetagt und leben seit zwei Jahren im Altersheim. «Ich habe gelesen, dass Ergänzungsleistungen beantragt werden können, sobald das Vermögen eines Ehepaares unter 200 000 Franken sinkt», sagt Anna Meier. Also stellte sie einen EL-Antrag. Schon diesen Schritt empfand sie als unangenehm, weil sie in die Rolle der Bittstellerin gelangte. Noch grösser war das Unbehagen, als das EL-Gesuch abgelehnt wurde. Der Grund: Die grosszügige Schenkung an die Kinder wurde als freiwilliger Vermögensverzicht angerechnet – selbst wenn sie über zwei Jahrzehnte zurückliegt. Gemäss Berechnung lag das Vermögen nun deutlich über der Schwelle, die zum Bezug von Ergänzungsleistungen berechtigt hätte.

Das Ehepaar musste deshalb nebst der Rente auch einen beträchtlichen Teil des 200 000-Franken-Ersparten für die Bezahlung der Heimrechnungen aufwenden.

Ungerechte Gesetze?

Geld verschenken ist keineswegs verboten. Jedoch werden verschenkte Beträge bei der Berechnung für Ergänzungsleistungen hinzugerechnet, als wäre das Vermögen noch vorhanden. Für jedes zurückliegende Jahr sinkt der angerechnete Betrag um 10 000 Franken. Durch diese Regelung, die seit 1990 in Kraft ist, reduzierte sich die anrechenbare Schenkung von Anna Meiers Eltern in den letzten 25 Jahren kontinuierlich, und seit kurzem erhält das Paar nun Ergänzungsleistungen. Für Anna Meier ist das ein schwacher Trost. Sie findet es schlicht ungerecht, wie sparsam ihre Eltern heute leben müssen, damit das verbliebene Geld nicht zu schnell schmilzt – und dies, obwohl sie ihr Leben lang hart gearbeitet, Steuern bezahlt, als Selbstständigerwerbende nie Kinderzulagen und auch keinen einzigen Franken Arbeitslosentaggeld oder Sozialhilfe bezogen hätten.

Andrea Ramseier weist auf die Optik der Gesetzgebung hin. Die Treuhänderin mit eidg. Fachausweis arbeitet als Bereichsleiterin Treuhand und Steuern bei Pro Senectute Kanton Luzern. Ihr Team bietet älteren Menschen unabhängige Beratung und Unterstützung bei finanziellen und administrativen Fragen. Andrea Ramseier stellt klar: «Kindern zu Lebzeiten etwas zu ­verschenken, ist zwar schön, doch eine Schenkung muss gut überlegt sein.» Sie rät dringend, eine Übersicht über das ganze Vermögen und ein Budget für das Alter zu erstellen und dabei verschiedene Varianten durchzurechnen.

Verjähren Schenkungen?

Aufgrund der Beratung beim Notar waren Anna Meiers Eltern davon ausgegangen, dass das Geldgeschenk an die Kinder nach einigen Jahren «verjähren» würde. Diese Aussage hört Andrea Ramseier immer wieder. «Sie ist aber falsch. Es gibt Verjährungsfristen im Steuer- und Erbrecht. Doch bei der EL-Berechnung werden Schenkungen immer aufgerechnet.» Die Treuhänderin führt weiter aus: «Hätten ihre Eltern kein Geld verschenkt, wäre das Vermögen heute deutlich höher. Dieses müssten sie ebenfalls bis zur Vermögensgrenze von 200 000 Franken für Ehepaare beziehungsweise 100 000 Franken für Einzelpersonen aufwenden, bis Ergänzungsleistungen beantragt werden können. Aber sie wären finanziell besser abgesichert, um ihren gewohnten Lebensstandard weiterführen zu können.»

Fixkosten überprüfen

Anna Meier sagt, ihre Eltern müssten im Altersheim sehr bescheiden leben und würden sogar auf den Besuch im hauseigenen Café verzichten. Grundsätzlich sieht ein EL-Budget monatlich 352 Franken pro Person für persönliche Ausgaben vor. «Ist jemand noch rüstig und geht gerne mal aus dem Haus oder gönnt sich das eine oder andere Plus, wird es knapp», so die Erfahrung der Pro-Senectute-Sozialberatung. Oftmals genüge dieser Betrag jedoch für persönliche Ausgaben. Simon Gerber, Bereichsleiter Sozialberatung von Pro Senectute Kanton Luzern, rät, ein Budget zu erstellen und dabei auch Fixkosten sorgfältig zu überprüfen. Insbesondere zu überdenken ist, ob allfällige Zusatzversicherungen im Altersheim noch Sinn machen beziehungsweise überhaupt finanziert werden können.

Viele stossen an ihre Grenzen

Allen Argumenten zum Trotz ist Anna Meier unzufrieden mit der Situation ihrer Eltern und fühlt sich schlecht beraten. Nicht nur wegen der knappen Finanzen, sondern auch weil sie stundenlang mit Paragrafen und Formularen kämpfte. «Die Materie ist tatsächlich sehr komplex und bedarf ausführlicher Erklärungen», sagt der Bereichsleiter Sozialberatung, Simon Gerber. Bei Internetrecherchen stosse man oft an Grenzen. Er verweist jedoch auf die Informationen der Ausgleichskassen oder die Möglichkeit, mit dem EL-Rechner auf der Website von Pro Senectute einen möglichen Anspruch fiktiv durchzurechnen. Bei knappen Budgets bietet sich auch die Pro-Senectute-Sozialberatung als unabhängige erste Anlaufstelle an. Eine juristische oder treuhänderische Beratung empfehle sich insbesondere bei Schenkungen von Liegenschaften oder Erbverträgen.

Astrid Bossert Meier

 

In Zusammenarbeit mit Pro Senectute

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