Auf halbem Weg zurück zu den Wurzeln

Das neue Unterhaltungskonzept schafft dem lokalen Musikschaffen Plattformen wie einst im Luzerner Sommer. Der «Anzeiger» stöberte im Programm.

Old Time Jungle Cats, Sa., 10.30 Uhr, Weinmarkt. Bild: zvg

Old Time Jungle Cats, Sa., 10.30 Uhr, Weinmarkt. Bild: zvg

Big Band der Hochschule Luzern, Sa.,21 Uhr, Theaterplatz. Bild: Ingo Höhn

Big Band der Hochschule Luzern, Sa.,21 Uhr, Theaterplatz. Bild: Ingo Höhn

Anna Mae, Fr.,18.15 Uhr, Mühlenplatz. Bild: Justine Rutz

Anna Mae, Fr.,18.15 Uhr, Mühlenplatz. Bild: Justine Rutz

Mothers Pride, Sa., 22.45 Uhr, Theaterplatz. Bild: zvg

Mothers Pride, Sa., 22.45 Uhr, Theaterplatz. Bild: zvg

Rückblick: 1972 lancierten ein paar damals stadtbekannte Persönlichkeiten das Luzerner Altstadtfest. Geld sollte gesammelt werden für gute Zwecke – und die lokale Bevölkerung sollte sich wieder mal sehen können, vier Monate nach der Fasnacht. Ein paar einfache Bühnen mit 12 Scheinwerfern, eigentlich Zelte mit erhöhtem Boden, dazu vorgelagerte Festbankgarnituren reichten dafür. Lokale Musikformationen aus der Laienszene spielten auf, die Gagen waren kaum der Rede wert. Das war der Status quo bis in die 2000er-Jahre hin­ein.

Danach gab es Lastwagen-Invasionen. Fürs Luzerner Fest, letztmals abgehalten 2018, karrte die Schweizer Eventtechnik-Branche «alles» nach Luzern. Zünftige Bühnen wurden mit komplexer Licht- und Tontechnik ausgerüstet, bereit für die Gigs der «Grossen» der nationalen Konzert­szene. In den Kulissen herrschte im Vorfeld Geplänkel zwischen Platzbetreiber:innen, wer denn jetzt die noch bekanntere Band nach Luzern bringen kann.

Das neue Stadtfest Luzern bewegt sich in der Mitte dieser beiden Extreme. Das Organisationskomitee und die Stadt wollen zurück zum regionalen Charakter des Events, die Organisationsstruktur des Anlasses ist aber klar professionell. Das Unterhaltungsangebot ist ein Sowohl-als-auch. Die Anzahl Gigs wurde massgeblich reduziert. Zudem dominieren wieder die Hobbymusiker:innen, dazu wenige lokale «Profis» und Gruppierungen von Institutionen. Letztere sind geballt im Löwengraben aktiv. Das Voralpentheater bietet «Theaterschnuppern ab fünf Jahren». Die Musikschule Luzern ist mit verschie­denen Formationen präsent. Originelles wie Cello Inferno (Eigen­deklaration: «eine strassengeprüfte One-Man-Band») ergänzt das Programm.

Programm-Perlen

Auf dem Mühlenplatz fällt am Freitag die Luzerner Sängerin Anna Mae auf – in dieser Zeitung schon porträtiert –, die die Weiten der USA musikalisch an die Reuss bringt. Am Samstag steht unter anderem Daniel Korber auf der Bühne – eine interessante Persönlichkeit, die sich selbst als «Geschichtenerzähler» bezeichnet und musikalisch immer wieder mit neuen Ideen überrascht. Auf dem Weinmarkt sind Jazz, Dixie und Swing zu Hause, mit – unter anderem – Formationen, die bereits in den Anfängen des Altstadtfests mit von der Partie waren: die Old Time Jungle Cats Dixieland Jazz Band und die Lake City Stompers Old Tim Jazz Band. Wer gerne Luzern-Nostalgisches hören möchte, mischt sich unter das Publikum dieses Platzes. Eine Perle im Programm des Hirschenplatzes ist der moderierte Auftritt eines Streichquartetts des Luzerner Sinfonieorchesters (LSO). Unter dem verheissungsvollen Titel «Langue érotique» wird zudem – nicht humorbefreit – das «klassische» französische Chanson auf jeder Flughöhe abgefeiert, von Joe Dassin bis Plastic Bertrand.

Von wegen Fasnacht im Sommer: Das Programm am Samstag eröffnet auf dem ­Kapellplatz eine Kleinformation der Noggeler Guugenmusig. Mit Brässloft, der UKW Brassband und Nä-ä sind weitere Routiniers des Luzerner Sommerfestes, egal welchen Namens, mit dabei. Seit jeher findet an der Bahnhofstrasse der Bäckerzmorge statt. Auch im neuen Konzept wurde diese sympathische Tradition beibehalten, musikalisch begleitet durch volkstümliche Klänge. Die Haare der Bandmitglieder sind inzwischen etwas ergraut, der Sound aber knackig-frisch wie eh und je: Mothers Pride schliessen das Abendprogramm auf dem Theaterplatz ab. Vorab findet sich auf dem Line-up Siselabonga, die schweizerisch-­senegalesische Formation mit einer originellen und spannenden, westlich-afrikanischen Musiksprache. Weiteres Highlight: die Big Band der Hochschule Luzern.

Ruhezonen

Altstadtfest-Nostalgiker haben natürlich noch den Jesuitenplatz und den Kornmarkt als Konzertplätze in Erinnerung. Das neue Stadtfest macht daraus musikalische Ruhezonen, in denen ein Angebot aus Gläsern im Vordergrund steht. So nippt die Festgemeinde in «Nicole’s Ginbar» an Longdrinks, auf dem Jesuitenplatz werden die Liebhaber von Getränken auf Hopfen- und Malzbasis paradiesische Umstände antreffen (siehe separaten Artikel). Keine Lastwagen-Invasion also am Stadtfest Luzern, höchstens eine gehäufte Kleintransporter-Dichte im Vorfeld des Anlasses. «Kleiner, feiner, regionaler» ist das nicht ausges­prochene Motto für die musikalische Unterhaltung am «neuen» Luzerner Sommerevent.

Andréas Härry

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