«Auch Jean Nouvel musste seinen Entwurf für das KKL überarbeiten»

Der Grossstadtratspräsident Christian Hochstrasser blickt im Gespräch mit dem «Anzeiger» zurück, wagt einen Ausblick und erklärt, weshalb er zum neuen Theater noch grosse Diskussionen erwartet.

Christian Hochstrasser nimmt sein 11. Jahr im Parlament in Angriff. Bild: Marcel Habegger

Christian Hochstrasser, Sie sind seit vier ­Monaten Präsident des Grossen Stadtrats. Wie fällt Ihre persönliche Bilanz aus?

Es gibt einem schon eine neue Perspektive, denn man ist ja für alle gleichwertig da und dafür verantwortlich, dass die ­Sitzungen korrekt ablaufen, egal was für eine politische Meinung ich habe. Alles in allem fühle ich mich mit dieser Verantwortung sehr wohl.

Wie blicken Sie generell auf das letzte Jahr zurück?

Die Klima- und Energiestrategie kann man ja durchaus als Jahrzehntegeschäft bezeichnen, das war sicher ein Highlight. Es gab natürlich die eine oder andere Reiberei im Hinblick auf die Strategie im Rat. Man hat nach einem Kompromiss gesucht, mit dem konstruktiven Referendum hat es dann doch etwas gefetzt, aber das gehört auch zu einem guten politischen Prozess dazu. Im September hat die Bevölkerung klar entschieden. Jetzt ist die Verwaltung gefordert, dies alles umzusetzen.

An welche Geschäfte denken Sie, wenn Sie ans Jahr 2023 denken?

Im Februar kommt die Budgetabstimmung vor das Volk – die wird aber hoffentlich nicht sehr spektakulär werden, auch wenn die finanzielle Herausforderung mit der Steuersenkung um einen Zwanzigstel für die Stadt weitergeht. Ich gehe davon aus, dass die Stadt im Februar ein Budget haben wird.

Im März geht es mit der Airbnb-Initiative ­weiter ...

Ja, die Initiative würde Ferienwohnungen in der Stadt Luzern praktisch komplett ­verbieten, deshalb erarbeiteten der Stadt-rat und das Parlament einen Gegen­vorschlag. Da erwarte ich einen grösseren Abstimmungskampf. Auch im Hinblick auf die kantonalen Wahlen, die drei Wochen später stattfinden werden, wird diese Abstimmung sicher emotional aufgeladen sein.

Im Frühjahr wird im Parlament auch das Neue Luzerner Theater ein Thema sein. Wie denken Sie über das Siegerprojekt?

Mir gefällt es mit jedem Tag besser. Ich habe aber den Eindruck, dass die Freiraumfrage und die Durchlässigkeit noch ein ­Thema werden. Heute kommen da beispielsweise viele Leute zwischen dem Theater und der Jesuitenkirche durch, um an den Markt und die Reuss zu gelangen, dies wurde wohl von den Architekten wenig berücksichtigt. Viele Leute werden sich auch fragen, ob das Theater wirklich so gross sein muss. Es wird wichtig sein, auszuloten, welche Variante am Ende mehrheitsfähig ist (das Volk wird über das Theater abstimmen, Anm. d. Red.). Da hoffe ich, dass das Parlament die entscheidenden Punkte zur Diskussion bringt. Auch Jean Nouvel musste seinen Entwurf vom Wettbewerb bis zur Ausführung für das KKL anpassen, und das wird auch hier passieren.

Finden Sie denn, es muss so gross sein?

Es ist wichtig, dass wir ein Theater bauen, das zeitgemäss ist. Aber die Frage stellt sich schon: Die Auslastungen gehen zurück – ­erholt sich dies wieder, oder ist das eine demografische Entwicklung? Braucht man wirklich einen solch grossen Opernsaal? Ich kann das zum jetzigen Zeitpunkt nicht ­beurteilen, aber man darf es sicher hinterfragen. Ich bin überzeugt: Das Neue Theater braucht es. Investitionen in die Kultur kommen der ganzen Gesellschaft zugute. Sie sollten so selbstverständlich wie Schulhäuser sein. Aber wie überzeugt man eine Person, die nie ins Theater geht, dass es dafür genau dieses Haus für 120 Millionen Franken braucht?

Die Grünen haben eine Amtszeitbeschränkung von 12 Jahren, diese erreichen Sie Ende dieser Legislatur. Nun kandidieren Sie für den Kantonsrat – was reizt Sie an der kantonalen Politik?

In der Stadt haben wir mit der angenommenen Klima- und Energiestrategie einen wichtigen Schritt erreicht. Im Kanton wurde wohl der Klimanotstand ausgerufen, es wurde aber noch kein einziges Gesetz angepasst. Da gibt es also schon einige Baustellen, bis der Kanton zukunftsfähig wird. Als grüner Politiker ist es im Kantonsrat sicher schwieriger, Mehrheiten zu bilden. Aber diese Herausforderung nehme ich gerne an.

Im Jahr 2024 werden auch einige Sitze im Stadtrat frei. Ist dies auch eine Option für Sie?

Aus meiner persönlichen Sicht ist es nach den beiden Grünen-Stadträten Ruedi Meier und Adrian Borgula prioritär Zeit für eine weibliche Grüne-Vertretung im Stadtrat.

Zum Abschluss: Wie blicken Sie dem neuen Jahr entgegen?

Geflüchtete oder andere besonders von den Krisen Betroffene werden wohl weiter gesellschaftliche Solidarität brauchen. Dann kommt das Thema Tagesschulen, das die Vereinbarkeit von Beruf und Familie in der Stadt verbessern soll, aber auch viel Geld kosten wird. Das wird gegen Sommer ein grosses Thema sein. Es braucht auch ein Parlament, das überparteilich Lösungen findet. Da habe ich entgegen der Polarisierung, die man jeweils auch in den Medien wahrnimmt, für das Parlament ein gutes Gefühl. Es wird viel mehr zusammengearbeitet, als es von aussen vielleicht manchmal den Anschein macht.

Interview: Marcel Habegger

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