Ein Spielzeug für 800 Franken
Anja Meinetsberger, Leiterin Jugend- und Familienberatung Contact der Stadt Luzern, gibt Tipps, wie Kinder und Jugendliche an den Umgang mit Handy herangeführt werden können.
Anja Meinetsberger, wie stark müssen Eltern ihre Kinder beim Umgang mit dem Handy begleiten?
Das kommt ganz auf das Alter an. Ich vergleiche es oft mit dem Strassenverkehr. Kleine Kinder begleitet man sehr stark, haben sie mehr Erfahrung, müssen sie einem irgendwann nicht mehr die Hand geben, um die Strasse zu überqueren. Man bleibt aber weiter dran, fragt beispielsweise auch die Jugendlichen noch: «Hast du deinen Fahrradhelm dabei?» Oder: «Funktioniert das Licht?» Beim Handy ist es genau gleich. Zuerst schützend informieren, dann intensiv begleiten und langsam mehr in die Selbstständigkeit entlassen.
Wie können die Eltern vor Gefahren warnen?
Das ist eine herausfordernde Aufgabe. Man kann nicht vor den ganzen Gefahren warnen, sonst sehen die Kinder, je jünger sie sind, überall irgendwelche Monster. Eine Möglichkeit ist, den Kindern zu sagen: «Wenn du dich im Netz bewegst, wirst du auf Inhalte stossen, die dir komisch vorkommen werden und bei denen du nicht weisst, wie du darauf reagieren sollst.» Es ist wichtig, dass ein Kind weiss, dass es immer seine Eltern um Rat bitten kann, auch wenn es mal auf eine Seite geklickt hat, die es nicht hätte besuchen dürfen. Das kann man schon mit sehr kleinen Kindern thematisieren. Geben Sie mal bei Youtube «Blitzeinschlag» ein.
Weshalb?
Dann realisieren Sie, wie schnell ein Kind auf verstörenden Inhalt treffen kann. Da gibt es super Videos, in denen erklärt wird, wie es zu einem Blitzeinschlag kommt, nur dauert es auch nicht lange, bis ein Video zeigt, wie ein Mann von einem Blitz getroffen wird. Das kann für ein 6-jähriges Kind sehr verstörend sein, ist es ja sogar für uns.
Wann soll ich meinem Kind ein Handy kaufen?
Das kommt auf die Art des Handys an.
Was raten Sie?
Ich sage immer: Ein Handy mit unbegrenzten Möglichkeiten sollte, wenn möglich, erst ab der Oberstufe gekauft werden. Zuvor reicht ein Handy, mit dem man telefonieren kann.
Könnte es dann nicht den Anschluss verlieren? Einige haben sicher früher ein eigenes Handy.
Man muss nicht einem 8-jährigen Kind den Zugang zu Medien ermöglichen, weil man Angst hat, dass es sonst ins Hintertreffen gerät, das reicht auch mit 12 oder 13 Jahren. Das Thema Medienkompetenz, also wie man mit heiklen Inhalten umgehen sollte oder ob man jemanden blocken darf, sollte bereits erlernt werden, bevor das Kind ein eigenes Handy erhält. Solche Dinge erst anzuschauen, wenn das Kind 12 oder 13 Jahre ist, ist schwieriger.
Wie kann die Medienkompetenz trainiert werden?
Man kann schon Dinge mit den Kindern anschauen, bevor sie ein eigenes Handy haben. Haben sie dann ihr eigenes Gerät, könnten sie vielleicht das Handy erst zu Hause benützen, mal mit dem besten Freund oder der Tante schreiben.
Und welches Abonnement empfehlen Sie?
In der fünften, der sechsten oder wenn möglich gar erst in der siebten Klasse rate ich, mit einem Prepaid-Abo zu beginnen, damit die Kinder nicht unbegrenzten Zugang zu allem haben. So lernen sie auch, dass die Nutzung etwas kostet. Die Verlockung ist gross, dem Kind ein tolles Handy zu kaufen. Weil die Handys heute so teuer sind, macht man das oft in Kombination mit einem Abo. Deshalb ist vielen Jugendlichen auch gar nicht mehr bewusst, wie wertvoll so ein Gerät ist. Aber auch die Eltern sind sich oftmals der Tatsache nicht bewusst, dass ihr Kleinkind gerade mit einem «Spielzeug» im Wert von 800 Franken spielt.
Marcel Habegger