Vom «Eisprung» bis an die Filmfestivals
Mit dem Animationsfilm «Lachsmänner» überzeugte Veronica L. Montaño die Fachjurys gleich mehrerer Filmfestivals. In Locarno holte die Luzernerin mit ihrem Erstlingswerk den Preis für das beste Schweizer Nachwuchstalent.
Vier Lachse und ein Delfin warten testosterongeladen darauf, den Fluss aufwärts zu schwimmen. Wer wird die Lachsweibchen als erster erreichen? Mit dieser Anfangsszene erzählt der Animationsfilm «Lachsmänner» in einer farbenfrohen Bildsprache eine Kurzgeschichte über Lachse, die sich paaren wollen.
Was klingt, wie ein Biologiefilm ist vielmehr eine gesellschaftskritische Geschichte. «Bei dem Film geht es mir darum, die klassische Rollenverteilung und die Stereotype von Mann und Frau zu hinterfragen», erklärt Veronica L. Montaño, Mitregisseurin des Filmes. «Mütter sind in unserer Gesellschaft nach wie vor einer grossen Belastung ausgesetzt, während die Väter in ihrer Rolle untergehen.» Mehr verraten will die Filmemacherin aber nicht. «Mir ist es wichtig, dass ich als Künstlerin nicht vorgebe, was beim Betrachten meines Films ausgelöst werden soll. Jeder Zuschauer hat seine ganz eigene Interpretation der Geschichte. Dem möchte ich Raum geben und nicht mit meinen Botschaften die Fantasie der Leute beeinflussen.»
Absage bei Berlinale
Fest steht, dass der Film bei vielen Zuschauern auf Begeisterung gestossen ist. Mit dem Filmfestival Locarno und Animationsfilmfestival Fantoche in Baden wird «Lachsmänner» dieses Jahr gleich an zwei namhaften Schweizer Filmfestivals gezeigt. In Locarno holte sich Veronica L. Montaño mit dem Film sogar den Preis für das beste Schweizer Nachwuchstalent. «Damit hätten wir nie gerechnet», sagt die 29-Jährige. «Wir haben den Film zuerst bei der Berlinale eingereicht und eine Absage erhalten. Zu diesem Zeitpunkt hatten wir Locarno eigentlich schon abgeschrieben. Dass es nun gleich mit zwei Festivals und sogar mit einem Preis geklappt hat, freut uns riesig.» Mit «uns» meint die Luzernerin sich und ihre beiden ehemaligen Studienfreunde Manuela Leuenberger und Joel Hofmann.
Zu dritt in Bern getüftelt
Nach ihrem Studienabschluss in Film an der Hochschule Luzern machten sich die drei zusammen selbstständig und eröffneten unter dem Namen «Eisprung» ein eigenes Animationsstudio in Bern. «Lachsmänner» ist der erste Film, den sie so gemeinsam realisierten. «Auch wenn unser Werk schliesslich nur sechs Minuten dauert, steckt unglaublich viel Arbeit dahinter», erklärt Veronica L. Montaño. «Allein die ganze Geschichtenentwicklung braucht viel Zeit. Zum Zeichnen und Animieren kommen dann auch noch das Sounddesign und Komponieren der Musik dazu.»
Mit der Unterstützung ihres Produktionspartners Yk Animation Studio haben die drei rund zwei Jahre am Film gearbeitet. Damit solche Produktionen überhaupt möglich sind, braucht es entsprechende Fördergelder. «Wir freuen uns extrem, dass wir in Locarno gewonnen haben. Nebst der grossen Ehre haben wir auch eine Art Gutschein für technische Dienstleistungen erhalten, den wir für einen nächsten Film gut gebrauchen können», erklärt die Filmemacherin.
Theater und Comics als Inspiration
Zur finanziellen Existenzsicherung versucht das Eisprung Animation Studio auch externe Aufträge an Land zu ziehen. «Da wir eine sehr bildschirmlastige Gesellschaft geworden sind, gibt es glücklicherweise viele Dinge zu animieren», sagt Veronica L. Montaño und lacht. «Fast überall wo es bewegtes Bild gibt, braucht es auch eine Animation. Gerade in der Werbebranche ist das Auftragspotenzial gross.» Anders als vielleicht anzunehmen, mag Veronica L. Montaño das kommerzielle Schaffen fast so gerne wie ihre eigenen Projekte. «Externe Aufträge haben etwas sehr Erfrischendes für mich. Ich sehe sie als eine Herausforderung, meine Kreativität so einzusetzen, dass sowohl der Kunde als auch ich Freude daran haben. So entdecke ich mich immer wieder neu.»
Inspiration für neue Ideen holt sich die Filmemacherin in anderen Kunstformaten wie beispielsweise bildendende Kunst, Theater, Bilderbücher oder Comics. Aber auch der alltägliche Austausch mit Freunden regt ihre Kreativität an. «Ich finde es spannend zu beobachten, wie man miteinander kommuniziert. Ich versuche immer wieder diese Kommunikation in eine Bildsprache zu übersetzen und Botschaften so zu verpacken, dass sie nicht offensichtlich sind.»
Im Kinosaal anstatt auf der Piazza
Obwohl die Filmbranche finanziell ein schwieriges Pflaster ist und die Bedingungen hinsichtlich Corona aktuell nicht einfacher werden, bleibt Veronica L. Montaño optimistisch: «Wir haben es natürlich auch gespürt, als im vergangenen Frühling gerade in der Werbung die Aufträge eingebrochen sind. Aber langsam geht es wieder bergauf und wir hatten das Glück, auf Kurzarbeit wechseln zu können.» Ein kleiner Wermutstropfen bleibt trotzdem. «Wegen Corona konnte unser Film leider nicht auf der Piazza Grande gezeigt werden. Aber auch die Vorstellung im Kinosaal vor kleinem Publikum war eine grosse Ehre für uns. So oder so – Locarno ‹fägt›!», sagt die Filmemacherin und lacht.
Anna Meyer