Reis-«Spieler» gesucht

Das neue Festival für zeitgenössische Musik im KKL sucht Interessierte, die eine Aufführung mitgestalten. Der Titel «Ricefall» ist Programm.

Wer zu Hause in der Küche nicht absichtlich eine Packung Reis über der Chromstahlkombination fallen lässt, kennt das Geräusch, das entsteht, wenn Hunderte Körner aufs Blech treffen und sich verteilen. Würde nicht der Fluch über das Missgeschick die besinnliche Stimmung zerstören, könnte man dieser Akustik, einem Regenfall nicht unähnlich, durchaus etwas Spannend-Meditatives abgewinnen. Es ist nicht bekannt, ob bei Michael Pisaro, 1961 in Buffalo im Staat New York geboren, ein solches Küchenmissgeschick die Keimzelle der Idee war, eine 18-minütige Komposition zu schreiben, in der besagte Reiskörner die Hauptrolle übernehmen. Diese werden von Menschenhand in choreografierten, dosierten Mengen auf verschiedene Unterlagen fallen gelassen. Auf Metall, Holz, Stein, Papier, Plastik, Keramik und trockenes Laub trifft das Lebensmittel und entlockt der Unterlage unterschiedliche Klänge.

Wenn viele Menschen dies aufs Mal tun, verbinden sich die Geräusche zu einem spannenden Klangteppich. Ein Regen, der an- und abschwillt. Begleitet werden diese Klänge im KKL durch das Ensemble des Lucerne Festival Contemporary Orchestra unter der Leitung von Mariano Chiacchiarin. Streicher, Bläser, die dem Ganzen eine mystisch-magische Komponente beimischen. 

Michael Pisaros «Ricefall» ist nur ein Mosaikstein im umfangreichen Schaffen des Amerikaners. Seine rund 80 Werke sind oftmalige Programmteile von Festivals für zeitgenössische Musik rund um den Globus. Auch seine Komponistenresidenzen führten ihn um die Welt, unter anderem auch in unsere Breitengrade nach Baden.

 

Eine Stoppuhr ist Bedingung 

«Ricefall» in Luzern ist Teil der Premiere des Lucerne Festival Forward, an dem bekannte Exponenten zeitgenössischer Musik sich ein Stelldichein geben. Während dreier Tage werden arrivierte Werke sowie vom Festival in Auftrag gegebene Kompositionen aufgeführt. Rund um das Werk «Ricefall» sind am Sonntag, 21. November, Uraufführungen programmiert. Wobei man bei den fallenden Reiskörnern auch von einer Uraufführung sprechen kann, zumindest was die Interpretierenden betrifft. Die genannten «Reisfallenlasser:innen» werden voraussichtlich aus der Region Luzern stammen – und sind noch nicht bestimmt. In Aktion sein werden drei Gruppen à 16 Spielenden auf der Bühne sowie eine Gruppe von nochmals 16 Teilnehmenden auf den Balkonen des KKL. Mitmachen kann jede und jeder mit Lust und Zeit für vier Proben sowie den Aufführungstag, siehe Link. Es braucht keine musikalischen Vorkenntnisse, sondern lediglich eine Stoppuhr oder Stoppuhr-App auf dem Smartphone. Zwei Freikarten für das Konzert vom 21. November sind Teil des Angebots. Wer sich diesem Erlebnis anschliesst, wird sein Leben lang nicht mehr die gleiche Beziehung haben zu einem Sack Reis zu Hause in der Küche.

Andréas Härry 

 

Box: Das Festival
19. bis 21. November 2021, im KKL. 
Infos für interessierte Mitgestalter der «Ricefall»-Aufführung: www.lucernefestival.ch/de/ricefall

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