Luzerner mit Oscar-Chancen
Nachdem der Film «Das Spiel» des Luzerner Regisseurs Roman Hodel bereits an mehreren Festivals gezeigt worden ist, wird er vielleicht sogar für die Oscars nominiert.
Die Fans toben. Die Spieler diskutieren. «Du kannst ihm keine Gelbe geben!» Mittendrin Fedayi San. Als Schiedsrichter ist er der Mann der Entscheidung. «Das nächste Mal gibt es eine gelbe Karte, okay?», sagt er und schaut die aufgebrachten Spieler eindringlich an. Das Spiel geht weiter. Roman Hodel hat es geschafft, in seinem Kurzdokumentarfilm verschiedene solcher Szenen festzuhalten. In «Das Spiel» geht es für einmal nämlich nicht um das Fussballspiel als solches, sondern um den Schiedsrichter. «Normalerweise interessieren sich alle für den Match und die Spieler. Über den Schiedsrichter weiss man aber praktisch nichts. Mich nahm es wunder, wer diese Person auf dem Spielfeld ist», erklärt Hodel.
Auch nur ein Mensch
Als er beim Schiedsrichterverband anfragte, ob er einen Schiedsrichter bei einem Nationalliga-A-Spiel mit der Kamera begleiten dürfe, wurde ihm Fedayi San vorgeschlagen. «Wir waren uns auf Anhieb sympathisch. Und ich wusste: Diesen Film will ich machen», erzählt der Regisseur. Während des Spiels durfte er ihn dann nicht nur mit der Kamera, sondern auch mit einem Mikrofon begleiten. «So konnte ich festhalten, was auf dem Feld zwischen Spieler und Schiri gesprochen wird. Eines der wohl bestgehüteten Geheimnisse im Fussball.» Um es zu lüften, waren aber weitaus mehr als 90 Spielminuten nötig. Roman Hodel arbeitete mit seinem Team rund dreieinhalb Jahre am Film. Nebst Szenen auf dem Spielfeld hält der Dokumentarfilm auch intime Situationen hinter den Kulissen fest. Bilder, die zeigen, wie Fedayi San in der Garderobe nervös auf den Spielbeginn wartet oder wie der stolze Vater von der Tribüne aus zuschaut. «Ich will mit dem Film ins Bewusstsein rufen, dass der Schiedsrichter auch nur ein Mensch mit Ängsten und Sorgen ist. Und dass hinter jedem eine Person steckt, die man respektieren soll. Auch wenn man mal anderer Meinung ist», erklärt Hodel.
Oscars zum Greifen nah
Mit dem Film will der Regisseur zudem die Fussball- und die Kunstwelt einander näherbringen. «Wenn Kunstinteressierte den Film sehen, haben sie vielleicht auch mal Lust, ein Fussballspiel zu besuchen. Und Fussballfans wiederum können über das Thema einen Zugang zur Kurzfilmszene finden.» Dass der Film beim Publikum gut ankommt, ist auf jeden Fall schon bewiesen. Nachdem er an Filmfestivals in Venedig, Toronto und Amsterdam gezeigt und für den Schweizer Filmpreis 2021 nominiert worden ist, bestehen nun sogar Chancen auf einen Oscar. «Heute Abend wird entschieden, ob ich mit dem Film auf die Shortlist komme», sagt Roman Hodel. «Auf diese Liste schaffen es nur zehn Kurzfilme. Daraus wählt eine Jury dann fünf aus, die sich für die Oscar-Nacht qualifizieren.»
Eintauchen in fremde Welten
Obwohl der Entscheid kurz bevorsteht, hält sich die Nervosität des Luzerners in Grenzen. «Ich rechne mir ehrlich gesagt keine grossen Chancen aus. Aber toll wäre es natürlich schon», sagt er. Überhaupt hätte er nie damit gerechnet, dass sein Film ein so grosser Erfolg wird. Nach seinem Abschluss an der Luzerner Hochschule vor sieben Jahren hielt er sich zuerst einige Zeit mit Auftragsfilmen und Jobs als Kinokassier und DJ über Wasser. «Das Spiel» ist der erste eigene Film, den Roman Hodel als Regisseur umgesetzt hat. «Obwohl ich selbst kein Fussballfan bin, hat mich das Thema gepackt», sagt der 31-Jährige. «Das ist ja gerade das Spannende bei Dokumentarfilmen: Man taucht in Welten ein, die man zuvor noch nicht gekannt hat.» Heute arbeitet Roman Hodel vollberuflich als Regisseur. Und Ideen für weitere eigene Filme hat er bereits. «Es muss mich nur noch die richtige überzeugen», sagt er und lacht.
Anna Meyer