Kein grosses Halligalli
Markus Hartmann erwischte ausgerechnet das Corona-Jahr für das ehrenvolle Amt des Gallivaters. Mit Pragmatismus und Dankbarkeit für alles, was dennoch erlaubt ist, geniesst er die besonderen Momente.
Wir dachten an eine kleinere Fasnacht, aber sicher nicht an eine Absage», sagt Markus Hartmann. Als er im April 2020 von Zunftmeister Samuele Donatelli angefragt wurde, ob er Gallivater 2021 sein wolle, kam grosse Freude auf. «Ich bin seit 20 Jahren in der Galli-Zunft und bin ein leidenschaftlicher Fasnächtler, da ist dieses Amt natürlich die Kür.»
Markus Hartmann ist der 73. Gallivater seit der Gründung der Galli-Zunft 1922. Nach der Begeisterung folgte die Covid-19-Ernüchterung. «Wir ahnten schon damals, dass wir 2021 nicht ein grosses Halligalli werden veranstalten können.» Ideen und Konzepte wurden entwickelt für kleinere, familiäre Anlässe. «Wir gingen in der Planung immer so weit, bis es etwas kostete.» Ein weises Vorgehen. An der offiziellen Ausrufung des Gallivaters am 17. Oktober 2020 hingen die zwei Tage vorher vom Bundesrat bekannt gegebenen Einschränkungen wie ein Damoklesschwert über dem Anlass. Die Fasnacht 2021 stand auf der Kippe, am 24. November wurde sie als eine der letzten im Kanton abgesagt.
Katerstimmung bei Markus Hartmann? Keinesfalls. «Bis jetzt hatte ich ein fantastisches Jahr», sagt er mit Begeisterung in der Stimme. «Wir hatten zum Beispiel eine grossartige Samichlaus-Bescherung, trotz Hochsicherheitsdispositiv.» Viele Samichlaus-Besuche fanden draussen statt. Auch sonst wurde viel Kreativität investiert in diesen traditionellen Anlass. Der Gallivater ist geneigt, festzustellen, dass die Qualität der Kontakte dieses Jahr «noch viel höher ist als in Normalzeiten».
Rührende Weihnachtskarten
Das Gallipaar bekommt die Besonderheit des Jahres auch direkt zu spüren: «Es ist herzig, wie sich unser Umfeld bemüht, trotz Corona uns spezielle Momente zu bescheren.» Man will Markus und Susann Hartmann offensichtlich die Enttäuschung ersparen, dass sie ausgerechnet eine Pandemie erwischt haben für «ihr Jahr». Der Gallivater erzählt von einem stimmungsvollen Abend auf der Krienseregg mit Geisslechlöpfern inklusive Sicherheitsabstand und von rührenden Momenten an Weihnachten: «Wir bekamen Weihnachtskarten von Menschen, die wir nicht kennen. Diese bedankten sich, dass wir einen Hauch Normalität in diese Zeit bringen.» Markus Hartmann hadert nicht mit dem Schicksal. Auch wenn das zynisch tönt. Es hat in diesem Krisenjahr wahrscheinlich den genau Richtigen erwischt: ein sympathischer, beliebter Ur-Krienser, der diese surreale Zeit mit charmantem Pragmatismus lebt und kommentiert. «Ich habe schon so viele schöne Dinge in der Gallizunft erlebt, dafür bin ich dankbar.»
Stark engagiert im hiesigen Brauchtum ist auch seine Frau Susann, eine Vollblutfasnächtlerin wie der Gatte. Die beiden haben sich einst – selbstverständlich – in fasnächtlichem Umfeld kennen gelernt, in der Guuggenmusig Loschtmölch. «Meine Frau tanzte schon damals auf den Tischen. Ja, da ging mächtig die Post ab», bestätigt Markus Hartmann die Umstände des Kennenlernens. Aus der Verbindung entsprangen die Söhne Noel (20) und Livio (18), die das Virus der rüüdigen Zeit in frühster Kindheit erwischt haben. «Bei unseren Jungs war die Enttäuschung gross, als die Fasnacht abgesagt wurde.» Nebst dem väterlichen Ehrenamt wären die rüüdigen Tage für den älteren Sohn auch seine Anwärterzeit bei den Loschtmölch gewesen.
Offen für Neuzuzüger
Generell muss sich die Fasnacht in Kriens keine Sorge um den Nachwuchs machen. «Wir haben auch dieses Jahr wieder grossartige Neuzünftler aufgenommen», freut sich der Gallivater. Beim Werben um neue Galli-Zunft-Mitglieder und für die Fasnacht insgesamt werden zeitgemässe Mittel angewendet. So besitzt die Zunft eine Marketinggruppe, die Krienser Traditionen auch in die neuen Wohngebiete der Stadt bringt. Wobei ein Blick auf die Mitgliederliste zeigt, dass natürlich vorab Ur-Krienser sich engagieren. Die Zunft ist aber auch offen für Neuzuzüger. «Wer zu uns kommt, soll dies aus Freude an der Sache machen und nicht aus geschäftlichem Interessen.» Wenn jemand «en glatte Cheib» sei und sich engagiere, komme das andere von alleine.
Wie bei Markus Hartmann, der in zweiter Generation ein bekanntes Malergeschäft mit acht Angestellten in Kriens führt. «Bis jetzt sind wir umsatzmässig und gesundheitlich glimpflich durch diese Krise gekommen», darf der Geschäftsinhaber bilanzieren. Hofft Markus Hartmann auf ein Zusatzjahr 2022 als Gallivater, um doch noch das komplette Programm des Amtes zu erleben? «Das ist nicht vorgesehen und wurde auch noch nie besprochen in der Zunft.» Der Gallivater reisst sich nicht um die Ehrenrunde. Eine Absage ist das aber auch nicht.
Andréas Härry