Eine andere Theaterwelt

Ab kommender Theatersaison ist der Intendant des Luzerner Theaters auch in Basel in gleicher Funktion tätig. Der «Anzeiger» hat seinen ersten Auftritt in der Rheinstadt mitverfolgt.

Sachlicher, kühler: Benedikt von Peter (l.) mit seinem Führungsteam am Theater Basel.Bild: Basler Theater

Sommer 2016: Die erste Orientierung von Benedikt von Peter in Luzern, eine effektvoll inszenierte Medienkonferenz in der Viscosistadt. Journalisten, Partner des Hauses und Gäste erleben erstmals das Charisma, den Witz und die rhetorische Brillanz des Intendanten. Er verbreitet die Aufbruchstimmung, die alle mitreisst. Sekundiert von einer strahlenden Stiftungsratspräsidentin Birgit Aufterbeck Sieber zündet von Peter ein Feuerwerk von Ideen, die umgesetzt dem Luzerner Theater die erfolgreichsten Jahre seiner neueren Geschichte bescheren.
Sommer 2020: der erste Auftritt von Benedikt von Peter in Basel. Grauer Baustellenboden, asketische Inszenierung, dunkle Kleider, niemand im Fokus von der Trägerschaft des Hauses. Benedikt von Peter wirkt nervös. Die rhetorische Brillanz ist da, Witz und Charme werden aber homöopathischer als damals in Luzern zerstäubt. Eine andere Welt, Basel.

Waschmaschine für die Seele


Programminhaltlich sind natürlich von-Peter’sche Überraschungen drin, aber nicht so zahlreich wie in Luzerner Zeiten. Ein paar Abende kennt man konzeptionell oder inhaltlich von der Reuss. So schmunzelt der hiesige Theaterbesucher ab einem Festkonzept eines grossen Tischs, wo Gäste aus der Nachbarschaft, VIPs und Theatervolk zusammen dinieren. Da war doch mal was auf dem Theaterplatz in Luzern? Das entwaffnende Lachen des Intendanten blitzt auf, als er die «Anti-Oper St. François d’Assise» vorstellt. Ein Dreiakter, selten gespielt wegen harter Anforderungen an die Inszenierung. So fliegt jeder 2. Theatersitz aus dem Saal, völlig unabhängig von Corona. Der dritte Akt beginnt musikalisch mit einem 45-minütigen Vogelgezwitscher. «Eine Waschmaschine für die Seele» tituliert von Peter das von ihm inszenierte Werk mit apokalyptischem Thema. Sein Lieblingsstück, wie er sagt, ist die «Zauberflöte». Mit dieser Bewertung wird er nicht alleine bleiben. Dafür wird auch die hinreissende Luzernerin Regula Mühlemann sorgen, die im Opern-Gassenhauer von Mozart die Pamina interpretiert. Aus der Zentralschweiz nimmt von Peter auch seine – schon vorab in Deutschland erfolgreiche – «Traviata» mit. Oder die Idee, ein Stück in Privatwohnungen zu inszenieren, in Basel die Puccini-Oper «Gianni Schicchi». «Never Change a Winning Concept», daran ist gar nichts auszusetzen.

Reservat der Freiheit


Inwiefern der Schauspielbereich das Winning Concept in der Saison 1 schon gefunden hat, wurde an der Medienorientierung nicht klar. Das wörtlich so vorgestellte «gleichberechtigte, geschlechtergerechte» Führungsgremium, bestehend aus Anja Dirks, Inga Schonlau, Antú Romero Nunes und Jörg Pohl, fiel vor allem durch Aussagen des Letzteren auf, der sich angestrebten Arbeitsbedingungen der Künstlerinnen und Künstler widmete, weniger dem Publikum. In Basel soll «keine despotische Führung» herrschen, man strebe eine «künstlerische Selbstorganisation an», Gagen werden nicht nach Marktwert, sondern Alter und Erfahrung ausbezahlt, die systematische Überarbeitung des Ensembles soll es nicht geben, die Bühne sei «das Reservat der Freiheit». Jörg Pohl macht aus seinen Wertvorstellungen keinen Hehl. Die vom Quartett vorgestellten Konzepte tönen spannend, hoffentlich nehmen die nicht an den Klippen einer zum Voraus bestimmten Ideologie Schaden. Einer, der jede Stimmung entkrampft, ist Richard Wherlock, Direktor und Chefchoreograf des Ballett Theater Basel seit 2001. Eine Institution ist der Mann in der Stadt wie sein weibliches Pendant Kathleen Mc Nurney in Luzern. Die Konzepte des Briten sind erfolgreich und durchdacht, mit ihm dürfte Benedikt von Peter leichte Hand und einfaches Spiel – im Sinne von Erfolg beim Zuschauer – haben. Was von Peter nicht nach Basel nimmt, sind die in Luzern gepflegten «neuen Räume». «Das Theater ist unsere Stadt», sagt er. Innerhalb des Gebäudes sucht der Intendant neue Spielflächen. Eine spannende Idee ist, das Foyer öffentlich zugänglich zu machen, auch für Gäste ohne Theaterkarte.

Erdrückende Sympathiewelle


Benedikt von Peter in Basel. Man kommt nach diesem ersten Auftritt am Rhein nicht umhin zu vermuten, dass die Leitplanken dort etwas enger gesetzt sind als in Luzern, die Ambiance kühler, sachlicher. Grössere, künstlerische Freiheiten innerhalb der Produktionen ermöglichen dem Intendanten aber die zur Verfügung stehenden Mittel. Das ist der Fortschritt zu Luzern. Hier hatte der Kölner quasi «Carte blanche», ausser bei den Finanzen, gepaart mit einer fast erdrückenden Sympathiewelle, mit der er umgehen musste. In Basel dürfte das anders sein. Vielleicht kommt in Benedikt von Peter später einmal etwas Wehmut auf, wenn er an seine Luzerner Zeit denkt. Nicht nur wenn er – wie an der Medienkonferenz in Basel – für einen Augenblick die Elisabethen- mit der Jesuitenkirche verwechselt.

Andréas Härry
Infos: https://www.theater-basel.ch

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