Ein langer Mutterschaftsurlaub

Kaum aus dem Mutterschaftsurlaub zurück, musste die Sopranistin und Geigerin Lydia Opilik wieder zu Hause bleiben. Die Schwyzerin leidet momentan mit allen freischaffenden Künstlern mit.

Lydia Opilik mit ihrem Mann Felix Brühwiler und den Kindern Franca (l.) und Hannes. Bild: PD

Bei der Sopranistin und Geigerin Lydia Opilik zu Hause wird es momentan nicht langweilig. Vor sieben Monaten wurde sie zum zweiten Mal Mutter, ihr Erstgeborenes, Hannes, ist zwei Jahre alt. Kaum hatte die Schwyzerin, die nun in Ebikon zu Hause ist, ihren Alltag nach dem Mutterschaftsurlaub organisiert und war wieder im Arbeitsleben integriert, kam die Corona-Krise. Die 36-Jährige leidet momentan vor allem mit den freischaffenden Künstlerinnen und Künstlern mit und gesteht auch ein: «Ich war noch nie so froh, dass ich auch noch als Musiklehrerin angestellt bin», so die Sängerin, Geigerin, Musikmanagerin und Mitglied der Kommission der regionalen Kultur Konferenz.
Von der Situation besonders betroffen ist auch ihr Mann und Gitarrist Felix Brühwiler. Bei ihm wurden gleich mehrere Engagements gestrichen, auch die Konzerte des 21th Orchestra, dem er angehört, finden nicht statt. «Der Frühling bedeutet für alle Musiker Hochsaison», sagt Lydia Opilik wehmütig. Normalerweise hat sie über Ostern gleich mehrere Engagements bei Gottesdiensten, diese fanden in diesem Jahr alle nicht statt.
Auch «Kulturschock», ein Label, das klassische Musik einem jüngeren Publikum näherbringen soll, musste Konzerte absagen. Lydia Opilik ist bei der Innerschweizer Kulturinstitution Präsidentin. «Für die nächste Saison, die im Sommer beginnen würde, haben wir noch überhaupt nicht mit der Planung begonnen.» Sie rechnet damit, dass es im Herbst zu einem Überangebot von Kulturevents kommen wird. Die zwei bereits abgesagten Konzerte wurden auf das Jahr 2021 verschoben.
Im Jahr 2017 erhielt Lydia Opilik von den Innerschweizer Kantonen ein Atelierstipendium in New York. In der aktuellen Situation denkt die Sängerin auch an diejenigen Künstler, die das Stipendium für dieses Jahr erhalten haben und momentan in New York weilen. «Ich vermochte enorm zu profitieren, konnte Engagements einholen für das vergangene Jahr, es war eine wahnsinnige Chance. Nun läuft dort einfach nichts, es wohnen alle dermassen nahe aufeinander, New York ist momentan definitiv nicht der place to be.»

Wenn etwas Chaos herrscht


Ganz wie während des Mutterschaftsurlaubs ist es für Lydia Opilik trotz des Shutdowns nicht, denn die Musikerin unterrichtet an der Schule in Zug und Menziken, auch ihr Mann ist Musiklehrer. «Wir müssen uns extrem gut mit unseren eigenen Kindern organisieren, aber da sind wir wohl momentan nicht die Einzigen», lacht Opilik. «Wenn man auswärts unterrichtet und zu Hause Chaos herrscht, bekommt man es einfach nicht mit. Das ist momentan anders.» So hatte sie während des Fernunterrichts mit ihren Schülern auch schon ihren Sohn auf dem Arm gehalten, weil etwas Chaos herrschte. Da hilft es auch, dass die Familie kurz vor der Krise noch von ihrer 90-m²-Wohnung mit einem kleinen Balkon in ein Haus umgezogen ist.

Konzerte auf der Strasse


Trotz den Herausforderungen mit dem Fernunterricht sieht sie in der aktuellen Situation auch positive Dinge. «Ich höre von Teenies, die sonst nur andere Dinge im Kopf haben, dass sie wieder ihr Instrument hervorgeholt haben. Mir ist es wichtig, den Schülern während dieser Zeit zu vermitteln, dass ein Instrument während dieser Zeit auch eine Insel bieten kann.»
Wie viele andere Lehrer hat auch Lydia Opilik punkto Videoproduktion in den letzten Wochen vieles gelernt. Für sie als Musikerin ist es ungewohnt, so viel vor dem Computer zu sitzen. Sie erfreut sich zwar an den vielen Streaming-Möglichkeiten, sagt aber auch: «Den Live-Charakter, das Unerwartete, das man direkt vor Ort vorfindet, kann es halt aber doch nicht ersetzen.» In Zürich kann man sich inzwischen bereits Live-Musik für ein Konzert in der eigenen Strasse buchen. Auch Opilik ist mit ihrem Umfeld daran, kreative Ideen zu suchen. Mit «Kulturschock» hatte sie bereits vor der Krise Konzerte an überraschenden Orten organisiert. «Die Leute werden immer kulturhungriger», sagt sie. «Da ist sicher noch Potenzial vorhanden.» Sie ist zuversichtlich, dass sich da in den nächsten Wochen etwas auf die Beine stellen lässt, das mit den Vorlagen des Bundes vereinbar ist. «Irgendwann hat man es ja auch satt, vor dem PC zu sitzen, und Netflix macht irgendwann auch nicht mehr so Spass.»
Ganz die Hoffnung verloren, dass im Juni Konzerte stattfinden dürfen, hat Lydia Opilik doch noch nicht. Im Rahmen von Kulturschock soll Quête – The Grande Finale am 13. Juni im Gaswerk in Schwyz stattfinden. Das Vokalensemble «dMädels» ist eine Produktion unter der Leitung von Cristina Marugg.
Marcel Habegger

Weitere Artikel zu «Kultur», die sie interessieren könnten

Kultur26.02.2024

Eine Rock-Oper im Luzerner Theater

Die Neukomposition von Samuel Pender­bayne erzählt Richard Wagners «Siegfried» als Coming-of-Age-Geschichte.
Kultur26.02.2024

Schuberts grenzensprengendes Meisterwerk

Am 3. März sind im «Schweizerhof Luzern» Solisten der Festival Strings Lucerne mit einem kontrastreichen Programm zu hören, welches Franz Schuberts berühmtes…
Kultur19.02.2024

Träumst du noch, oder scheiterst du schon?

Beim ersten häuserübergreifenden Festival können die Besucher:innen von 22. bis 25. Februar unterschiedliche Veranstaltungen im Zeichen einer positiven…