«Die Musik ist meine grösste Herausforderung»

Am 23. März spielt der Starpianist Jan Lisiecki (27) mit den Festival Strings in Luzern. Der Kanadier spricht im Interview über seine Karriere und womit er seinen Einkaufskorb in Luzern füllen wird.

Nie hatte zuvor ein Pianist in jüngeren Jahren einen der begehrten Exklusivverträge der Deutschen Grammophon unterschrieben. Jan Lisiecki durfte bereits mit 15 Jahren in den erlauchten Kreis der weltweit am höchsten gehandelten Weltklassekünstler eintreten. ©: F. Umiglia

Jan Lisiecki, woher kam der Impuls: Ich will Klavier spielen?

Jan Lisiecki: Ich habe als Kind viele verschiedene Dinge gemacht, fuhr Ski, schwamm, machte Musik. Klavierspielen war ein Hobby wie die anderen Dinge auch. Ambitionen hatte ich keine.

Und doch haben Sie als 9-Jähriger bereits Ihre ersten Konzerte gegeben.

Schon immer wollte ich alles perfekt machen, mein Bestes geben. Das Klavierspielen hat mir schnell viele Türen geöffnet, ich durfte beispielsweise früh viel reisen und so die Welt kennen lernen. Das hat mich dann zusätzlich motiviert.

Früh schon galten Sie als «Klavier-Wunderkind». Wie gingen Sie damit um?

Da haben mir meine Eltern geholfen; sie waren und sind sehr bodenständig. Sie haben nie Druck auf mich ausgeübt.

Auch haben Sie vier Klassen übersprungen. Fiel Ihnen alles leichter als Ihren gleichaltrigen Kolleg:innen?

Wie gesagt, ich habe früher viel ausprobiert, mich für vieles zu begeistern gewusst. Wenn ich etwas gemacht habe, dann wollte ich es gut machen. Das ist irgendwie in mir drin und noch heute so. Aber natürlich habe ich nicht alles probiert, darum kann ich diese Frage nicht beantworten (lacht). Ich habe aber schnell gemerkt, dass ich in der Musik die grösste Herausforderung gefunden habe.

Unter anderem gelten Sie auch als Mathematiktalent. Haben mathematische Gleichungen und Klavierspielen Gemeinsamkeiten?

Ja und nein. Die Musik teile ich in drei Dimensionen auf: Wie lese ich die Noten? Wie trete ich auf? Und wie erreiche ich das ­Publikum? Da gibt es jeweils so viele Möglichkeiten – wie manchmal in der Mathematik auch.

Sie haben schon so viele Konzerte gespielt. Ist Ihnen eines speziell in Erinnerung geblieben?

Schwierige Frage. Jedes Konzert ist speziell und einzigartig. Aber sicher, als ich als 13-Jähriger erstmals in Polen in Warschau Chopin gespielt habe – das war eines meiner Schlüsselerlebnisse.

Sie füllen riesige Konzertsäle mit Ihren Vorstellungen. Vergangenes Jahr hat es Sie allerdings nach Boswil in die Provinz verschlagen, wo Sie ein für Ihre Verhältnisse kleines Konzert spielen durften. Was unterscheidet solche Konzerte von den grossen?

Sie sind herausfordernder. Ich bin viel näher bei den Leuten, so ist die Musik gewissermassen fast ehrlicher, direkter.

Moderne, atonale Musik findet sich nicht in Ihren bisherigen Repertoires. Warum?

Zuerst muss ich sagen, dass ich moderne Musik durchaus mag. Nur gibt es noch so viele ältere bedeutsame Stücke zu lernen. Ich verbinde mich mit der Musik, und das kann ich weniger gut mit Stücken, die quasi noch keine Geschichte hinter sich haben.

Das Werk von Frédéric Chopin pflegen Sie mit höchstem Engagement, es ist Ihre Visitenkarte. Wie fest ist diese Liebe auch darin begründet, dass ein Pianist mit polnischen Wurzeln einen polnischen Komponisten interpretiert?

Chopin ist – meiner Meinung nach – perfekt für das Piano geschrieben. Da steckt eine Magie dahinter, die schwierig zu beschreiben ist. Klar, ich habe meine Wurzeln in Polen, bin aber in Kanada aufgewachsen. Und dort fühle ich mich zu Hause. Darum – und um auf Ihre Frage zurückzukommen – hat das nichts mit unserer gemeinsamen Herkunft zu tun.

Konzerte zu spielen, ist eine Seite Ihres Jobs, CDs einzuspielen, die andere. Was ist der Reiz an der Arbeit im Studio?

Im Studio bin ich mehr unter Druck, weil ich es beim ersten Mal perfekt machen möchte.

Warum? Sie können die Stücke ja x-mal wiederholen …

… und bei jedem weiteren Mal, wenn ich ein Stück spiele, verliert es an Genauigkeit, Ehrlichkeit. Die Emotionen, welche ein Stück transportieren soll, nehmen ab. Darum will ich es beim ersten Mal perfekt machen.

Sie sagen es selbst: Sie sind ein Perfektionist. Nun hat beispielsweise ein Cellist immer das eigene Instrument dabei, die Flötistin auch. Sie hingegen kommen in den Konzertsaal und sehen einen Flügel, den Sie noch nie gesehen, geschweige denn bespielt haben. Wie lernen Sie ein Instrument kennen?

Das ist auch ein Teil meines Jobs. Sicher brauche ich Zeit, um den Flügel zu fühlen. Und um zu spielen. Wenn ich zwei Stunden habe, dann reicht das meistens. Ich muss aber betonen, dass mir stets Instrumente bester Qualität zur Verfügung gestellt werden. Und auch ein wichtiger Aspekt ist, dass die Instrumente schon an die Umgebung gewöhnt sind.

Nun spielen Sie am 23. März im KKL in Luzern. Was ist Ihre Beziehung zu dieser Gegend respektive zur Schweiz?

Ich war schon einige Male in der Schweiz. Und jedes Mal hat es mir so gut gefallen. Nur schon durch Luzern zu spazieren – das ist einfach grossartig. Der See, die Berge, die frische Luft …

Gibt es daneben sonst noch etwas, worauf Sie sich in der Schweiz speziell freuen?

Oh ja. Ich werde mit dem Zug von Mailand anreisen. Zugfahren ist in der Schweiz einfach super. Und die Schweizer Supermärkte! Die sind unvergleichbar gut.

Dann gehen Sie auch einkaufen – obwohl Sie im Hotel wohnen werden?

Ja, unbedingt.

Und was kommt in Ihren Einkaufskorb?

Rucola und Cherrytomaten. Die schmecken in der Schweiz am besten.

Daniela Zeman / Andréas Härry

 

Zur Person

Am 23. März 1995 kam Jan Milosz Lisiecki als Sohn polnischer Eltern in Kanada zur Welt. Als Fünfjähriger begann er sein Klavierstudium am Mount Royal University Conservatory und trat mit neun Jahren erstmals mit einem Orchester auf. 2011 bestand er seine Abschlussprüfung an der Western Canada High School in Calgary, und sein Studium schloss er an der Glenn Gould School in Toronto ab. 2008 spielte der damals 13-jährige Lisiecki die Klavierkonzerte von Chopin in Polen, was ihm umgehend internationale Aufmerksamkeit brachte.

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