«Comedy-Programme sind wie Nudeln»

Comedian Joël von Mutzenbecher (32) wäre nächsten Samstag im Rahmen von «Emmen lacht» aufgetreten. Der Event musste aber wegen Covid-19 abgesagt werden. Sein Auftritt vom 17. November im «Parterre» in Luzern ist weiterhin geplant.

Der Basler gewann 2015 an den Swiss Comedy Awards den Publikumspreis. Bild: PD

Joël von Mutzenbecher, Sie fühlen sich in der Schweizer Comedy-Szene sehr wohl. Ist das der Grund, weshalb Sie die Szene um sich scharen? Sonst stehen Sie ja alleine auf der Bühne.
Ich finde fast nichts toller als Mixed Shows. Alleine die Menschen kennen zu lernen und sich auszutauschen, war enorm wertvoll. Ich bin immer noch Komiker, weil ich ein Fan der Comedy bin. Nicht nur, um selbst aufzutreten, sondern auch, um sie zu konsumieren. Ich kenne die Programme von den Kollegen praktisch alle auswendig, schaue sie mir aber trotzdem immer wieder an. Ich finde es einfach geil, ich kann es nicht anders sagen. 

Am Samstag wären Sie in Emmen im Rahmen der Swiss Comedy Night aufgetreten, die Sie mitinitiiert haben. Wie kam es zur Idee?
Ich wollte die grösste Mixed Show der Schweiz auf die Beine stellen: zehn Künstler an einem Abend. Finanziell ist es eine relativ dumme Idee (lacht). Es ist aber auch eine Möglichkeit, aufzuzeigen, wie lustig die Schweiz ist.

Sie sehen sich fast alles aus der Szene an?
Ja, auch berufsbedingt, weil ich mit fast allen auftrete. Ich bin momentan in einem wahnsinnig grossen Spektrum unterwegs. Ich trete mit den Grössten der Schweiz an Shows auf, gehe aber auch immer noch an Open Mics, um Dinge auszuprobieren. Ich finde das auch für die persönliche Entwicklung sehr wichtig.

Sie sind auch Moderator und haben einen eigenen Podcast. Heute Nachmittag fanden Aufnahmen statt: Wen haben Sie eingeladen?
Für den Podcast von letztem Freitag Musiker Marius Bear und für diese Woche die Comedians Frank Richter und Stefan Büsser.

Mittlerweile haben Sie bereits über 30 Podcasts auf den sozialen Medien veröffentlicht. Weshalb tun Sie dies? Sie sind ja eigentlich Comedian.
Aus purem Egoismus. So kann ich mit Menschen, die mich interessieren, ungestört diskutieren. Mit Michael Mittermeier, der dafür verantwortlich ist, dass ich mit Comedy begonnen habe, hatte ich beispielsweise auch schon mal in einer Radiosendung gesprochen, da muss man aber immer wieder unterbrechen. Nun haben wir uns während eineinhalb Stunden ungestört unterhalten. Der Wunsch nach künstlicher Freiheit kommt auch hier zum Ausdruck.

Sie nehmen sich die Freiheiten, was Sie tun oder nicht, auch sonst oftmals raus. Auf Instagram sind Sie beispielsweise relativ inaktiv.
Ich wollte nie meine kreative Energie für so etwas verschwenden. Wenn ich eine kreative Idee habe, will ich die auf der Bühne umsetzen, nicht in einem Video. Instagram ist sicher ein wichtiges Tool, das auch pusht, deshalb versuche ich nicht, gar nichts zu machen. Mittlerweile habe ich auch jemanden, der mich dabei unterstützt und für eine gewisse Regelmässigkeit sorgt.

In den nächsten Wochen treten Sie praktisch täglich auf. Ist das normal oder Corona-bedingt wegen Verschiebedaten aus dem Frühling?
Der Zeitplan ist etwas enger als sonst. Leider gab es nun aber auch schon wieder ein paar Absagen. Ich bin in der glücklichen Position, dass ich fast jeden Abend auftreten kann, deshalb mache ich das auch. Wenn am Ende wieder die Hälfte storniert werden muss, wären wir dann fast bei einer normalen Auslastung.

«Stand uf!» ist Ihr fünftes Soloprogramm. Bereiten Sie sich heute anders auf die Auftritte vor als früher?
Normalerweise haben die Leute im Sommer ihren Sommerbody, und im Winter legen sie sich etwas Winterspeck zu. Bei mir ist es andersrum. Wenn die intensive Phase im Herbst kommt, schaue ich mehr, was ich esse und dass ich genügend Ruhezeit habe. Ich mache jetzt auch Powernaps. Das macht man ab 30 (lacht).

Sie sind jetzt 32. Spüren Sie, dass Sie mehr Erholung benötigen?
Ich weiss nicht, ob ich sie mehr benötige, ich habe sie mir früher einfach nicht gegönnt, fühlte mich aber auch dementsprechend. Sich müde fühlen, durch viele Koffei und Zucker aber trotzdem hibbelig sein war früher normal. Jetzt merke ich, dass der Normalzustand gänzlich anders aussehen kann.

Das Duo Divertimento hatte beim Erarbeiten seines aktuellen Programms mit extremen Zweifeln zu kämpfen. Sie haben fünf Soloprogramme geschrieben – kennen Sie das auch?
Ich glaube, man ist kein guter Komiker, wenn man diese Zweifel nicht hat. Man muss sich konstant hinterfragen. Es kann aber auch ein Vorteil sein, wenn man bereits mehrere Jahre auf der Bühne steht und somit einen eigenen Massstab hat. 

Können Sie etwas zum neuen Programm verraten?
Es ist ein lebensbejahendes Werk. Das war bereits vor Beginn der Corona-Krise der Plan. Es war mir auch wichtig, dass es nicht per se von der Krise handelt. Ich glaube, gerade in der aktuellen Zeit ist es ein passendes Programm. Man kann den Alltag vergessen und den Saal hoffentlich wieder etwas positiver gestimmt verlassen.

In einem Podcast sprechen Sie darüber, dass Sie sich oft unwohl fühlen, beispielsweise wenn Sie eine Bar betreten. Wie kommt das? Vor Publikum auf der Bühne fühlen Sie sich offensichtlich sehr wohl.
Das muss man etwas differenzierter betrachten. Es gibt Momente, da will man einfach lieber privat bleiben. Ich habe aber ein paar Tricks, wie ich mich wohler fühle. Beispielsweise sitze ich in Restaurants lieber mit dem Rücken zum Saal. Wenn ich sehe, dass mich andere Leute beobachten, ist mir das unangenehm. Ich bin nicht einer, der sich privat gerne in den Mittelpunkt stellt. Auf der Bühne ist es dann ein klar anders definierter Rahmen. 

Sie sagten auch einmal, Sie müssten lernen, nicht allen gefallen zu wollen.
Ich habe diesbezüglich bereits Fortschritte erzielt, bin aber immer noch in einem Lernprozess. Es ist okay, einem Fan auch mal zu sagen, dass man das Gespräch nun beenden müsse, weil ich mich mit meiner Begleitung unterhalten möchte.

Sie sind sehr aktiv. Gibt es neue Projekte, die kurz vor der Lancierung stehen?
Nein, das Gegenteil ist der Fall. Ich habe aufgrund der aktuellen Lage keine neuen Projekte. Die Programme 4 bis 6 wollte ich alle je ein Jahr spielen. Aber es gibt bereits jetzt Verschiebungen bis in den Herbst 2021. Den dritten Teil dieser Trilogie werde ich also nicht nächsten Herbst spielen können. Ich habe das Gefühl, von so fixen Projekten wird man sich in nächster Zeit etwas lösen müssen.

Jedes Jahr ein neues Programm ist ein engagierter Zeitplan. Weshalb wechseln Sie es so oft?
Die Programme sind wie Nudeln: Lässt man sie im Wasser, sind sie beim ersten Schöpfen al dente, beim dritten Mal sind sie aber zu verkocht. Die Programme fühlen sich für mich nur eine gewisse Zeit richtig an. Man darf auch nicht zu verliebt in einzelne Shows sein. In Deutschland gibt es Komiker, die spielen seit 20 Jahren dasselbe, und es funktioniert, aber trotzdem spürt man, dass eine gewisse Frische fehlt. Das will ich unbedingt vermeiden.

Marcel Habegger

 

Eventhinweis: Joël von Mutzenbecher «Stand uf», Di., 17. November, 20 Uhr (Türöffnung 19.30 Uhr), Restaurant Parterre, Luzern, Tickets ab 25.90, Tickets: www.starticket.ch

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