An der Hochzeit der Lehrerin entdeckt

Am Freitag feiert die Luzerner A-cappella-Band Vocabular mit einem neuen Album Plattentaufe. Im Interview verraten zwei der sechs Sänger, wieso sie Tinder ein eigenes Lied gewidmet haben und weshalb ihre musikalischen Ambitionen bescheiden bleiben.

Für die Maturaprüfung eines Bandmitglieds zusammengetan, an der Hochzeit der Lehrerin wurden sie gewissermassen entdeckt. Bild: PD

Ihr habt eben euer zweites Album «No 1» veröffentlicht – was erwartet die Fans darauf?
Luca Merlo (im Bild zweiter von links): Das Album ist ein Mix aus verschiedenen Musikstilen – es reicht von Reggaeton bis zu schnulzigen Balladen. Auch thematisch ist es breit gefächert. Wir singen von persönlichen Geschichten, aber auch von gesellschaftlichen Themen wie dem Klimawandel.  

Manuel Häfeli (dritter von links): Musikalisch knüpft es sicherlich ans erste Album an. Die Texte sind aber authentischer und reflektierter. Wir sind schliesslich auch älter und reifer geworden (lacht). 

Ihr habt euch bereits vor 20 Jahren bei den Sängerknaben kennen gelernt. Wie entstand die Idee, eine A-cappella-Band zu gründen?
Luca: Adrian, ein Bandmitglied von uns, musste bei seiner Maturaprüfung einen Song vortragen. Weil wir alle im gleichen Chor waren, hat er uns gefragt, ob wir bei der Prüfung seine Begleitstimmen machen würden. Die Rektorin war so begeistert von uns, dass sie uns zu einem Auftritt an ihre Hochzeit einlud. Und da nahm alles seinen Lauf: Nachdem uns mehrere Gäste angesprochen hatten, merkten wir, dass es tatsächlich Leute gibt, die uns hören wollen, und gründeten die Band. 

Wenn man eure Lieder hört, ist es kaum zu glauben, dass diese tatsächlich nur aus euren Stimmen bestehen. Habt ihr eine fixe Aufteilung, wer was singt und wer welche Instrumente imitiert?
Manuel: Wir haben eine ganz klare Stimmenaufteilung, diese reicht von Bass bis Tenor. Bei den Solos wechseln wir uns ab. Bei der Imitation der Instrumente haben wir unterschiedliche Talente. Ich bin beispielsweise stark beim Beatboxen und mache meistens das Schlagzeug. Wir probieren aber auch immer wieder vieles aus und schauen, was zu welcher Stimme am besten passt. 

Ist es als Band schwieriger, nur mit Stimmen und ohne Instrumente zu musizieren?
Luca: Das wissen wir ehrlich gesagt gar nicht so genau, weil wir in der Band nie mit Instrumenten gespielt haben. Bei Instrumenten wie dem Klavier besteht sicherlich der Vorteil, dass, wenn sie einmal richtig gestimmt sind, sie gut klingen und man «nur» aufpassen muss, dass man den richtigen Ton anschlägt. Bei der Stimme müssen wir extrem genau aufeinander hören, damit alles harmonisch klingt und wir keine schiefen Töne singen. Und es besteht natürlich immer die Gefahr, plötzlich heiser zu werden. 

Neben euren Stimmen sind auch die Songtexte vielfältig. Im Lied «Tinder» singt ihr über das Datingleben, in «Hätti doch» über verpasste Chancen im Leben. Erzählt ihr da von euren eigenen Erfahrungen? 
Manuel: Ja, es war uns wichtig, dass unser zweites Album persönlicher wird. Da drei von uns ihre Freundin über Tinder kennen gelernt haben, war dieser Song fast Pflicht (lacht). Inzwischen sind wir auch alle älter geworden, haben einen fixen Job und eine feste Beziehung. In «Hätti doch» blicken wir deshalb melancholisch – aber nicht bereuend – auf die Vergangenheit zurück.

Luca: Neben ernsten Liedern hat es trotzdem noch ein paar selbstironische Spasssongs darunter. Aber nicht mehr so viele wie auf dem ersten Album. Da sind Texte teilweise nur entstanden, weil sich gerade etwas gut gereimt hat (lacht).

Seit ihr 2018 das erste Album veröffentlicht habt, ist einiges gegangen – ihr habt bei der SRF-Show «Stadt Land Talent» mitgemacht und mit Songs wie «Oh Dani» und «Bachelor» virale Hits gelandet. Habt ihr mit diesem Erfolg gerechnet?
Luca: Wir waren sehr überrascht. Es ist spannend, wie plötzlich eine Mediendynamik entstehen kann. Als «20 Minuten» beispielsweise über «Oh Dani» – eine Hommage an unseren Mister Corona Daniel Koch – berichtete, haben von heute auf morgen viele andere Newsportale das Thema auch aufgegriffen und unseren Song bekannt gemacht. 

Manuel: Das Schönste für uns an dieser Entwicklung sind aber die Livekonzerte. Wir schätzen es so, dass es Leute gibt, die unsere Songs hören wollen und sie sogar mitsingen können. 

Ihr seid beruflich alle in einem ganz anderen Bereich tätig. Ist euer Ziel, einmal von der Musik leben zu können?
Luca: Nein, für mich ist es das nicht. Ich bin gerade frisch Arzt geworden und habe einen anderen Weg eingeschlagen, den ich hauptberuflich verfolgen möchte. Als A-cappella-Band mit schweizerdeutschen Songs von der Musik leben zu wollen, ist auch schlichtweg nicht realistisch, weil der Markt so klein ist.

Manuel: Ich schliesse mich dem an. Wir haben aber trotzdem den Anspruch, die Musik auf einem professionellen Niveau zu machen. Sie muss aber nicht unseren Lebensunterhalt finanzieren. Das hat den Vorteil, dass wir die Einnahmen von Kon-
zerten beispielsweise wieder in Videoclips investieren können. 

Im Intro-Song des neuen Albums singt ihr, dass ihr noch grosse Pläne habt – verratet ihr diese?
Luca: Das ist eine schwierige Frage (lacht). Damals, als wir den Song aufgenommen haben, war das grosse Ziel unser Album. Generell ist es sicherlich unser Plan, weiter herumzukommen und in verschiedenen Städten in der Schweiz aufzutreten. 

Als Nächstes steht die Plattentaufe in der Schüür an. Ein besonderer Moment für euch?
Manuel: Ja, wir freuen uns sehr darauf. Wir sind dort nun zum dritten Mal zu Gast. Es ist für uns immer eine sehr grosse Ehre, in Luzern vor Heimpublikum, Familie und Freunden aufzutreten. Als wir dort früher Konzerte besucht haben, hätten wir uns nie gedacht, dass wir selbst einmal auf der Schüür-Bühne stehen würden. Die Nervosität ist natürlich auch entsprechend gross (lacht).

Anna Meyer

Konzerttickets und Infos: www.vocabular.ch

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